«Zubeissen macht Spass»

Aggressionen ausleben / 28. Januar 2005, "Annabelle"

Symbolbild für das Thema Karriere

Herr Weidner, in Ihren Aggressions-Seminaren fordern Sie die Teilnehmerinnen auf: "Werden Sie fieser! Beissen Sie, wenn es der Karriere dient, auch einmal einen Konkurrenten weg! Gehen Sie über Leichen!" Was versprechen Sie sich von einem derart martialischen Ton?

Meine Seminare dauern ja nur eineinhalb Tage und stehen unter dem Motto: "Übertreibung verdeutlicht". Also lasse ich schon einmal ein solches Schlagwort raus, aber ernstgemeint ist es nicht. Mein Credo ist differenzierter und lautet: Lassen Sie sich nicht von Ellbogen-Karrieristen aus der Bahn werfen! Lassen Sie sich nicht von Blendern täuschen! Lassen Sie sich nicht um des sozialen Friedens willen ausnutzen! Werden Sie von sich aus aktiv, wenn Sie sich eine Karriere zutrauen, und warten Sie nicht, bis man Sie darum bittet! Eine Frau, die etwas kann, muss damit rechnen, dass ihr Chef dafür sorgt, dass kein anderer mitkriegt, wie gut sie ist. Sonst verliert er sie und muss womöglich selber mehr arbeiten.

Das ist ja richtig zynisch.

Nennen Sie es zynisch. Ein anderer Vorgesetzter würde vielleicht noch weitergehen und bei seinen Kollegen durchblicken lassen, dass diese Frau bei aller fachlichen Kompetenz eine Person ist, die im täglichen Umgang schnell Ärger macht.

...auch wenn sie in Wirklichkeit eine angenehme Mitarbeiterin ist?

Ja, klar. Nur so kann er sie behalten.

Das ist intrigant.

Ach was. Aus einer machtstrategischen Optik ist das nichts anderes als die Sicherung einer Top-Arbeitskraft.

Wie können sich Frauen gegen solche Machtspiele zur Wehr setzen?

Viele Frauen müssen erst einmal kapieren, dass es überhaupt solche Machtspiele gibt und wie sie funktionieren. Erst dann können sie ihre Abwehrstrategien entwickeln, um in der männerdominierten Machtwelt nicht länger über den Tisch gezogen zu werden.

Geben Sie uns ein konkretes Beispiel für eine erfolgreiche Abwehrstrategie.

Nehmen Sie den folgenden Fall: Eine 43jährige Architektin arbeitet für ein grosses britisches Planungsbüro und soll dort Partnerin werden. Das ist für eine karriereorientierte Frau in dieser Branche ein echter Traumjob. Doch seitdem es sich herumgesprochen hat, dass sie Aussicht auf diesen attraktiven Posten hat, kursiert in der Firma das Gerücht, sie spiele mit dem Gedanken an eine späte Schwangerschaft. Dieses Gerücht gefährdet ihre Berufung erheblich. Denn keiner ihrer zukünftigen Partner will eine Kollegin haben, die jetzt ein Kind kriegt und damit weniger arbeitet. Man kann sie aber nicht direkt fragen, ob sie tatsächlich ein Kind will. Denn wenn sie ja sagt und nachher den Posten nicht bekommt, verklagt sie die Firma womöglich wegen Diskriminierung. Das kann teuer werden. Im Normalfall wird man einen Mann einstellen, der zwar fachlich nicht ganz so gut ist wie sie, aber auf jeden Fall nicht schwanger werden kann...

...und in diesem Fall?

In diesem Fall hat die Frau mit mir Kontakt aufgenommen. Ich habe ihr geraten, das Gerücht sehr ernst zu nehmen und darauf zu reagieren. So hat sie umgehend die Partner aufgesucht und ihnen gesagt: 'Es kursiert dieses Gerücht; ich erwarte, dass Sie dagegen vorgehen, denn ich bin nicht an Kindern interessiert, sondern seit etlichen Jahren sterilisiert.' Damit war das Thema Schwangerschaft vom Tisch, sie bekam den Job und alles war in Ordnung. Sie ist übrigens in Wirklichkeit gar nicht sterilisiert.

Sie hat also gelogen, um ihre berufliche Karriere nicht zu gefährden. Das ist auch nicht die feine Art.

Die ganze Situation, in die man diese Frau brachte, ist pervers, keine Frage. Aber mich hat das Vorgehen dieser Frau trotzdem amüsiert. Sie hat Biss gezeigt und so ihre Karrierechancen gewahrt. Schliesslich haben die Mitbewerber um den Posten, die das Gerücht von ihrer möglichen Schwangerschaft in Umlauf gesetzt haben, zuerst gelogen. Die Frau hat nichts anderes gemacht, als mit der gleichen Münze zurückzuzahlen. Offenbar war ihre Strategie richtig, denn sie ist Partnerin geworden.

Wo kippen solche Machtspiele und sind nicht länger tolerabel?

Zum einen gibt es natürlich juristische Grenzen. Ich bin also weder für illegale Mülltransporte noch für kriminelle Waffengeschäfte. Mobbing geht auch nicht; wer eine Kollegin aus persönlichen Rachegelüsten niedermacht, gehört bei mir in die Kategorie "unverzeihlich und primitiv". Aber wenn ich in meinem Unternehmen ein Projekt durchsetzen will, das in Konkurrenz zu anderen steht, wäre ich doch dumm, wenn ich im Vorfeld nicht ein paar Fäden ziehen würde.

Das heisst?

Ich werbe für mein Projekt mehr als andere bei meinem Vorgesetzten. Ich versuche die 'grauen' Eminenzen, also die heimlichen Berater meines Chefs, für meine Idee zu gewinnen, indem ich mit ihnen telefoniere oder essen gehe. Ich sammle mir auf strategisch-aggressive Art Kampfpartner, die in der entscheidenden Abstimmung für mein Projekt den Finger heben.

Was muss man sich unter dieser "strategisch-aggressiven Art" vorstellen?

Dass ich jemandem zum Beispiel anbiete, ihn bei nächster Gelegenheit auch einmal zu unterstützen, falls er mir bei der Durchsetzung dieses Projekts hilft.

Mit solchen "Spielen" haben viele Frauen Mühe.

Das stimmt. Die meisten Frauen meinen immer noch, dass sich Qualität von allein durchsetze. Leistung, glauben sie, spricht für sich. Sie finden es peinlich und angeberhaft, Werbung in eigener Sache zu machen. Selbstmarketing ist in ihren Augen etwas für Bluffer und Blender.

Auf diesem Hintergrund erstaunt es, dass Ihre Aggressions-Seminare für Frauen, die Sie seit zehn Jahren im deutschsprachigen Raum durchführen, regelmässig ausgebucht sind. Welche Art von Frauen kommen zu Ihnen?

Das sind Frauen, die sagen: "Das kann doch nicht wahr sein. Ich arbeite ohne Ende, aber wenn es um die tollen Jobs geht, haben immer die Männer die Nase vorn, die nicht halb so viel arbeiten wie ich, aber dauernd vor der Tür des Chefs herumschleichen." Denen mache ich klar, dass die Qualität ihrer Arbeit sehr wichtig, aber häufig nicht das alleinige Auswahlkriterium ist. Gut sind alle, Frauen wie Männer, sonst wären sie in ihrem Unternehmen nicht vorangekommen. Die Frage ist: Wer von den Guten kommt weiter? Das sind die, die sich klar positionieren, im richtigen Moment nein sagen, Durchsetzungskraft haben und lauthals verkünden: Ich stehe für die und die Ziele ein und habe auch keine Hemmungen, bei Bedarf für mein Unternehmen in den Kampf zu ziehen - was das im Einzelfall auch immer heissen mag.

Warum tun sich Frauen so schwer, auch einmal ein aggressives Machtspiel zu spielen? Sind sie die besseren Menschen?

Da bin ich mir nicht so sicher. In privaten Beziehungen können Frauen durchaus mit scharfer Klinge kämpfen und mit beachtlichem Power gegen ihre Partner antreten. Diesbezüglich sind sie den Männern überlegen. In der Berufswelt aber sind sie immer noch in starkem Masse mit einem Frauenbild konfrontiert, das sich an Werten wie Höflichkeit, Zurückhaltung und Bescheidenheit orientiert, eben lady-like. Eine Frau, die selbstbewusst antritt und sagt, sie wolle Karriere im Business machen, muss immer noch damit rechnen, dass man ihr erwidert: "Warum tust du dir den Stress an?" oder:"Hast du das nötig?" Auch wenn gern das Gegenteil behauptet wird: Es ist mindestens im deutschsprachigen Raum immer noch keine Selbstverständlichkeit, wenn eine Frau berufliche Macht anstrebt oder ausübt.

Verlieren aggressive, durchsetzungsstarke Frauen in den Augen von Männern an sexueller Attraktivität?

Es mag sein, dass Frauen befürchten, als toughe Managerin zum Mannweib gestempelt zu werden und zu vereinsamen. Aber ich halte es überhaupt nicht für zwingend, dass weibliche Macht zu Attraktivitätsverlust führt. Natürlich werden anspruchsvolle, machtorientierte Frauen nicht massenhaft Männer finden, wenn sie sich ausschliesslich nach einem ebenso mächtigen Mann umsehen, denn von denen gibt es nicht viele.

Was bringen Ihre Aggressions-Seminare den Teilnehmerinnen?

Frauen, die klar sagen: "Ich will bissiger werden", kriegen noch den Tritt in die richtige Richtung und den Segen: Du darfst. Du darfst strenger zu anderen sein, schneller und unmissverständlich nein sagen und musst nicht Everybody's Darling sein. Teilnehmerinnen aber, die unsicher sind und eigentlich doch lieber so nett bleiben wollen, wie sie sind, wird das Seminar nicht viel mehr bringen als die Erkenntnis, dass Menschen auch eine schlechte Seite haben.

Lassen sich denn die Erfahrungen, die die Frauen in Ihrem Seminar machen, ins tägliche Leben übertragen? Im Seminar gibt es Applaus für aggressives Auftreten, währenddem eine Frau an ihrem Arbeitsplatz doch wohl eher mit Stirnrunzeln, Skepsis und Ablehnung rechnen muss, wenn sie auf einmal Biss und Abgrenzung zeigt?

Wer bis anhin ein braves Lamm war und nun plötzlich jede dritte Bitte, die an ihn gerichtet wird, mit nein beantwortet, löst in seiner Umgebung tatsächlich Irritationen und gern auch fiese Sprüche aus: "Was ist denn mit dir los? Hast du Krach mit deinem Mann?" Aber nach drei Monaten legen sich diese Reaktionen, und alle sagen: "Mensch, du lässt dir auch nicht mehr alles gefallen - das ist echt gut."

Gibt es ein Motto, dass Sie den Seminarteilnehmerinnen mit auf den Weg geben, um sie zu mehr Aggressivität zu ermutigen?

Ich sage Ihnen: "Zubeissen macht Spass, Entschuldigen können Sie sich hinterher immer noch." Das ist eine jener Erfahrungen, die ich in den zehn Jahren gewonnen habe, in denen ich die männlichen Machtspiele selber intensiv praktiziert habe.

Erzählen Sie doch noch etwas mehr aus dieser Zeit!

Wer, wie ich, mit 36 Jahren als Professor berufen wird, hat viel gearbeitet, auch viel geleistet, aber er hat auch gewusst, wie er die richtigen Drähte bedienen muss. Dazu ein Muster. Bevor man berufen wird, muss man eine Vorlesung halten und einen guten Eindruck machen. Da spricht man über sein Fachgebiet, aber genauso wichtig ist, dass man die Lehrmeinung und akademischen Vorlieben der anwesenden Prüfer trifft. Um diese in Erfahrung zu bringen, muss man stundenlang in ganz Deutschland herumtelefonieren. Nachher muss man dieses spezielle Hintergrundwissen auf subtile Art in seine Vorlesung einfliessen lassen: die meisten Prüfer fühlen sich dann verstanden.

Das klingt nach Anbiederung.

Ich nenne das "gute Präparation". Schauen Sie, neunzig Prozent einer solchen Vorlesung bestehen aus Ausführungen zum Fachgebiet des Kandidaten. Aber zehn Prozent bestehen aus etwas anderem. Ich gebe Ihnen zwei kleine Beispiele. So wusste ein Berufungskandidat, dass einer der Prüfer auch an einem bestimmten Therapieverfahren interessiert war und Angst hatte, dass die Berufung ihn konkurrenzieren könnte. Also liess der Kandidat die Bemerkung fallen, dass sein Interesse an diesem Verfahren erschöpft sei...

...was gar nicht stimmte.

Nöh, aber es hat den Prüfer beruhigt und für den Kandidaten eingenommen. Von einer Prüferin war bekannt, dass sie die "Göttinger Schule" liebt. Also baute der Kandidat zwei Zitate der Göttinger Superstars ein. Aus Sicht der Prüferin stimmte damit die Chemie zu dem Neuen. Und da der auch noch sehr gut war, wurde er berufen.

Heiligt der Zweck also alle Mittel?

Das ist mir zu hart. Ich würde eher sagen: "Der Kandidat ist auf die beruflichen Vorlieben seiner Prüfer intensiv eingegangen." Hätte er das nicht gemacht, wäre er nur Zweiter geworden und ein anderer, der gut präpariert ins Rennen gestiegen wäre, hätte den Posten bekommen. Wer wirklich Karriere machen will, stellt sich nicht ständig die Sinnfrage und zaudert, sondern er packt seine Chancen, spielt bei Bedarf aggressive Machtspiele und setzt sich durch.Genau das müssen viele Frauen noch lernen.

Sie sagen, dass Sie persönlich solche Spiele heute nicht mehr spielen. Warum nicht?

Machtspiele gehören nur in die Phase des Karriereaufbaus. Heute bin ich etabliert und habe sie nicht mehr nötig. Es gibt allerdings machtorientierte Menschen, die zwar längst Karriere gemacht haben, diese Spiele aber trotzdem bis ans Ende ihrer Tage spielen. Das ist sinnentleert, barer Unfug.

*Jens Weidner ist 46 Jahre alt. Er unterrichtet als Professor für Kriminologie und Erziehungswissenschaft an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg. Er ist verheiratet und Vater eines vierzehnjährigen und eines siebenjährigen Kindes.


Claudia Käch*: "Witzig, aber destruktiv"

"Das Weidnersche Motto: 'Zubeissen macht Spass, entschuldigen können Sie sich hinterher immer noch' ist überspitzt formuliert, aber witzig und beinhaltet einen Kern Wahrheit. Ich betone: einen Kern. Denn wer ständig frontal angreift, handelt letztlich destruktiv. Auch für Weidners Ratschlag, im Verlaufe einer Karriere hin und wieder 'über Leichen zu gehen', habe ich zwar Verständnis, würde ihn selber aber nicht befolgen. Sobald ich merke, dass mich im Geschäft jemand über den Tisch zu ziehen versucht, attackiere ich ihn nicht, sondern analysiere die Situation präzise und versuche meinem Gegner ein Angebot zu machen, das seine Bedürfnisse befriedigt und ihn ohne Gesichtsverlust zurücklässt.

Trotzdem bin ich nicht kompromissbereit bis zum "Geht-nicht-mehr", sondern plädiere ganz im Sinne von Weidner dafür, sich klar zu positionieren, bei Bedarf nein zu sagen und seine Durchsetzungskraft zum Wohl der eigenen Karriere einzusetzen. Damit wird man zwar nicht jedermann's Liebling, erntet aber Respekt.

Die Hoffnung vieler Frauen, dass sich Qualität von allein durchsetze, halte ich für illusionär. Natürlich sind Leistung und Fachkompetenz unabdingbare Voraussetzungen für eine Karriere. Sie machen, grob geschätzt, neunzig Prozent aus. Fünf Prozent ist Glück. Und die restlichen fünf Prozent? Das ist die Knacknuss. Dabei geht es um all die Massnahmen, mit denen sich Frauen schwertun: Werbung in eigener Sache, Fäden im Hintergrund ziehen, Beziehungen spielen lassen. Das kann sogar beinhalten, dass man einmal dem Mitglied einer Berufungskommission den "Schmus bringt". Allerdings nicht aus Berechnung, sondern weil man auf die Bedürfnisse dieses Menschen genauso eingeht wie auf die aller anderen. Sollten sich daraus Vorteile für die eigene Bewerbung ergeben - um so besser.

Mit Weidners Appell, in schwierigen Situationen auch einmal zur Notlüge zu greifen, kann ich mich gar nicht anfreunden. Da ist für mich eine Grenze überschritten. Stattdessen würde ich ein Thema wie die mögliche Schwangerschaft der Architektin in Weidners Beispiel von mir aus ansprechen und klar Position beziehen. Zum Beispiel so: 'Ich habe in diesem Kreis schon einmal gesagt, dass ich keine Kinder will. Das gilt nach wie vor.' In einem anderen Fall würde ich mich selber vielleicht nicht exponieren, dafür aber das, was ich sagen will, breit streuen.

Vor fünfzehn Jahren, als ich noch am Anfang meiner Karriere stand, hätte ich ein Aggressions-Seminar von Jens Weidner besucht, um zu lernen, mich besser durchzusetzen und zu verkaufen. Ich denke, er ermutigt Frauen dazu, sich einen 'Schupf' zu geben und beruflich vorwärtszukommen. Dazu gehört auch das Wissen, dass es in Unternehmen Machtspiele gibt, und die Einsicht, dass man Strategien entwickeln muss, um erfolgreich damit umgehen zu können. Beides vermittelt Weidner auf provokative, aber anregende Art."

*Claudia Käch, 42, ist Betriebswirtin und seit Mai 2004 Geschäftsführerin des Unternehmens MediData in Root Längenbold bei Luzern. Sie ist Mutter zweier Kinder.


Helena Trachsel*: "System Weidner programmiert Verlierer"

"Da kann ich nur sagen: Hände weg! Wer Frauen dazu auffordert, im Verlauf ihrer Karriere bei Bedarf auch einmal zu lügen, handelt unethisch. Man stelle sich einmal vor, in welche Konflikte eine Frau geraten kann, die behauptet, sterilisiert zu sein, es aber gar nicht ist. Mal angenommen, zwei Jahre später will sie doch noch ein Kind. Und dann?

Genauso problematisch finde ich es, die eigenen Projekte durchzusetzen, indem man sich Gefolgsleute nach dem Prinzip "Eine Hand wäscht die andere" sichert. Damit gerät man in einen Teufelskreis von Schuld und Abhängigkeit und kann eines Tages keine sachgerechten Entscheide mehr fällen.

Kein Wunder, müssen in Unternehmen zahllose Projekte abgebrochen werden. Das sind genau die Projekte, die nicht im Sinne des Firmeninteresses zustande gekommen sind, sondern dank vorgängig getroffener Absprachen, die einzig der Profilierung eines einzelnen dienten.

Mühe habe ich auch mit Weidners Ratschlag, die eigenen Chancen im Rahmen einer Bewerbung oder Berufung zu verbessern, indem man sich bei seinem Gegenüber kalkuliert anbiedert. Wer dermassen berechnend vorgeht, erleidet Schiffbruch. Er setzt seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Natürlich braucht es im Business mitunter "die gute Präparation" eines Gesprächspartners. Auch ich teile einem Mitarbeiter in einer Besprechung zuerst die gute Nachricht mit, bevor ich ihn mit der schlechten konfrontiere. Das hat aber nichts Berechnendes an sich, sondern dient der Vertrauensbildung und damit dem Gesprächsklima.

Ich halte es generell für einen falschen Approach, jetzt auch noch die Frauen dazu zu bewegen, die Machtspiele der Männer zu spielen. Dieses Ping-Pong auf hohem aggressivem Niveau, das Weidner vorschlägt, produziert nur Verlierer. In meinen Beratungen erlebe ich immer wieder Frauen, die probiert haben, sich an diesen Machtspielen zu beteiligen. Die Folgen sind Verzweiflung, Demütigung, Kränkung und Verstrickung in unauflösliche Abhängigkeiten.

Stattdessen rate ich den Frauen zu Authentizität, Klarheit, Offenheit und Unabhängigkeit. Als mich zum Beispiel eine Managerin fragte, ob sie ihre Schwangerschaft verschweigen sollte, um ihre in Aussicht stehende Beförderung nicht zu gefährden, habe ich ihr geraten, mit offenen Karten zu spielen. Aber nicht naiv und blauäugig, sondern durchdacht, zukunftsorientiert und erst nach vorgängiger Diskussion mit ihrem Partner. Gleichzeitig habe ich ihr empfohlen, sich einen hochrangigen firmeninternen Mentor zu suchen, der ihre Situation kennt und sich klar hinter sie stellt. Sie hat beide Ratschläge aufgenommen und wurde befördert, allerdings mit einem Jahr Verzögerung. Mit diesem Kompromiss konnte sie gut leben.

Darüber hinaus sollen Frauen durchaus Zähne zeigen, sie brauchen auch Konflikt- und Kritikfähigkeit und den Mut, laut und deutlich nein zu sagen, wenn ihnen etwas nicht passt. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass man am besten fährt, wenn man sich selber treu bleibt. In schwierigen Situationen konfrontiere ich mein Gegenüber, bin transparent und stehe für mich ein. Klar, hatte ich auch schon Angst, dass ich mir mit meiner frechen Art die Karriere vermasselt habe. Aber das Gegenteil ist der Fall: Ich habe mir Respekt und Glaubwürdigkeit verschafft. Wer Karriere machen will, braucht Zivilcourage. Und die vermisse ich immer wieder bei Frauen - aber auch bei vielen Männern.

*Helena Trachsel Weibel, 46, ist Leiterin des Diversity Managements Teams in einem führenden Schweizer Unternehmen. Das Diversity Management Team trägt der Vielfalt der Mitarbeitenden so Rechnung, dass diese Vielfalt zum Erfolgsfaktor wird. Diese Vielfalt beinhaltet Alter, Ethnizität, Religion, Geschlecht und Behinderung. Sie ist Mutter zweier Kinder und teilt sich mit ihrem Partner seit vielen Jahren die Erwerbs- und Familienarbeit.

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© Barbara Lukesch