Staatsanwalt Andreas Brunners schwieriger Kampf

Schutz von Minderjährigen / 17. Mai 1997, "Das Magazin"

Symbolbild zum Thema Gewalt

Der Zürcher Staatsanwalt Andreas Brunner ist spezialisiert auf sexuelle und andere Gewaltdelikte gegen Kinder.

Mit wehendem beigen Trenchcoat stiebt er in das vornehme "Zunfthaus zur Schmiden", jenes Restaurant im Zürcher Niederdorf, das er für das Mittagessen und erste gegenseitige Kennenlernen vorgeschlagen hat. Er wirkt gehetzt, und atemlos kommen auch seine ersten Sätze. Nichtsdestotrotz nimmt der Mann, den Frauen wie Männer als "schön" bezeichnen, sein Gegenüber augenblicklich verbal in Beschlag. Forsch und zupackend eröffnet er das Gespräch, zündet sich eine Zigarette an, stellt Frage um Frage, ein bisschen forciert zunächst, dafür aber anregend und animierend. Er kann sogar zuhören, was, weiss Gott, nicht jedermanns Sache ist.

Diese Fähigkeit dürfte Andreas Brunner, 48, dem amtsjüngsten der insgesamt elf Staatsanwälte des Kantons Zürich, auch bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit von Nutzen sein. Insbesondere dann, wenn er mit den Opfern von Sexualdelikten und deren Angehörigen konfrontiert ist.

Brunner ist Spezialist für strafrechtlichen Kinderschutz. Vor gut fünf Jahren hat er sich auf Anfrage von Marcel Bertschi, dem Ersten Zürcher Staatsanwalt, eher zufällig der schwierigen und damals noch weitgehend vernachlässigten Materie der sexuellen, physischen und psychischen Gewalt gegen Minderjährige angenommen. Das Thema, das von Jahr zu Jahr an öffentlicher Brisanz gewann und durch den belgischen Fall Dutroux seinen jüngsten Kulminationspunkt erreicht hat, wurde zum Stoff, der Brunners berufliche Entwicklung massgeblich beeinflusst hat.

Herr Brunner, was hat Ihnen das Thema Kinderschutz vor zehn Jahren gesagt?

Andreas Brunner: Sozusagen nichts. Das muss ich ganz offen zugeben. Mir gingen Welten auf, als ich mich mit Fällen aus diesem Bereich zu beschäftigen begann.

Welche Erkenntnisse haben Sie am meisten überrascht?

Brunner: Praktisch alle. Ich hatte keine Ahnung vom Ausmass der sexuellen und sonstigen Gewalt gegen Kinder. Ich habe lange Zeit nicht verstehen können, dass ein Opfer mitunter Jahre, ja, Jahrzehnte braucht, bis es in der Lage ist, über die erlittenen Traumatisierungen zu sprechen. Genauso schwer nachvollziehbar war es für mich, dass es junge Frauen gibt, die noch im Alter von fünfzehn sexuelle Übergriffe ihres Vaters für "normal" halten. Woher hätte ich das alles auch wissen sollen?


Inzwischen ist Brunner zum Experten geworden. Er widmet rund ein Drittel seiner Arbeitskapazität dem Kinderschutz, hält Vorträge zum Thema und kennt sich aus in der einschlägigen Fachliteratur.

Damit ist er als einer der ganz wenigen Männer in einer Frauendomäne tätig. Das Thema Gewalt gegen Kinder wird nämlich seit nahezu zwanzig Jahren von mehrheitlich feministischen Frauen aufgearbeitet und ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Gleichzeitig ist er ein Mann, der grosse Teile seines Lebens in reinen Männergesellschaften verbracht hat und noch immer verbringt: Zum einen als Doktor der Jurisprudenz und Staatsanwalt, zum anderen aber auch als Major der Schweizer Armee, der Kaderschmiede für männliche Härte und Disziplin.

Zwischen feministischen Kinderschützerinnen und den meist wertkonservativen Juristen und Militaristen liegen Welten. Brunner weiss sehr wohl um die Kluft, die es im Spagat zu überwinden gilt. Er ist sich im klaren, dass seine Kinderschutz-Aktivitäten unter seinen zehn ausschliesslich männlichen Kollegen noch längst nicht als "business as usual" durchgehen. Er spüre immer wieder Desinteresse; mitunter belächle man auch diesen Teil seiner Arbeit und nehme ihn nicht ganz ernst. Bei Justizdirektor Markus Notter stosse er mit seiner Kinderschutz-Arbeit allerdings zunehmend auf positives Feedback, um das er sehr froh sei. Szenenkenner sind trotzdem überzeugt, dass Brunner mit diesem Job fürwahr keinen Prestige-Posten bekleide, um den sich viele reissen würden.

So gesehen hat auch die Lage seines Büros innerhalb der Zürcher Staatsanwaltschaft durchaus symbolische Bedeutung. Brunner logiert im winzigen Wintergarten des Hauses an der Florhofgasse 2, der nur durch einen separaten Eingang erreichbar ist. Einem "outlaw" gleich, wie er im Spass bemerkt, sitzt er im abgeschotteten Glashaus - und wirft kräftig mit Steinen.

Auf Seiten der Frauen, die sich für den Kinderschutz engagieren, schlägt ihm viel Wohlwollen, Anerkennung und Akzeptanz entgegen. Doch dort ist er es, der immer wieder Distanz markiert. Bequem könnte er sich in ein Boot mit den Helferinnen setzen und grenzt sich dennoch deutlich ab. Brunner scheint hin- und hergerissen zwischen der Würdigung der feministischen Leistungen beim Aufbau der Kinderschutz-Arbeit und unverhohlener Skepsis gegenüber plakativer Männerfeindlichkeit, vor der er sich fürchtet.


Hat Ihre Arbeit Ihr Männerbild verändert?

Brunner: Das ist eine typisch feministische Frage - wenn ich mir erlauben darf, das so deutlich zu sagen. Schauen Sie, wir haben es nicht nur bei Kindsmisshandlungen, sondern auch bei allen anderen Delikten wie beispielsweise Totschlag, Mord oder Raub mit einem Anteil von 85 oder gar 90 Prozent männlichen Tätern zu tun.

... aber bei den Sexualdelikten dürften es 98 Prozent sein.

Brunner: Das sagen jetzt Sie.

Sie sind also überzeugt, dass der Frauenanteil unter den Sexualdelinquenten grösser ist.

Brunner: Ich weiss es nicht. Aber ich denke, dass zum Beispiel die Rolle der Mutter als Mittäterin im innerfamiliären Sexualdelikt hochinteressant ist, aber bisher nahezu vollständig vernachlässigt wurde. Es ist doch typisch für die Frauenbewegung, dass man diesen Aspekt bisher tabuisiert und damit ausgeblendet hat.

Nehmen wir aber den Bereich Kinderpornographie, mit dem Sie ja in Ihrer Arbeit auch konfrontiert sind.

Brunner: ... es ist schlechthin unfassbar, wenn man diese Bilder sieht.

Es muss Sie doch erschüttert haben zu realisieren, zu welchen Verbrechen Männer aus reiner Profitgier fähig sind.

Brunner: Menschen.

Welche Frau produziert denn Kinderpornographie?

Brunner: Das gibt es auch, muss ich Ihnen sagen. Es gibt auch eine Augusta an der Seite von Rene O., es gibt die Partnerin von Marc Dutroux in Belgien, und auch in einem aktuellen Schweizer Fall, in dem ein Mädchen jahrelang aufs Brutalste von seinem Vater gequält und sexuell ausgebeutet wurde, hat die Mutter zwar nicht die dominante, aber doch eine Mitläuferrolle gespielt, die aus der Sicht des Kindes von grosser Bedeutung gewesen sein muss. Mütter hätten Eingriffsmöglichkeiten und nutzen sie oftmals nicht.

Also sind letztlich doch wieder die Mütter schuld.

Brunner: Nein, überhaupt nicht. Aber was mich wirklich erschüttert, um auf Ihre Frage zurückzukommen, ist das Ausmass an Gewalt, das Frauen gegen ihre eigenen Kinder zulassen, ohne sich für sie zu wehren. Sie wissen genau, wie kaputt ihre Familie ist und tun dennoch alles, um den Schein des intakten Zuhauses aufrechtzuerhalten. Und zwar aus Angst vor einer ungewissen Zukunft, vor sozialer Ächtung und finanzieller Unsicherheit.


Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist ein sogenanntes "Modethema", wie es abschätzig heisst, und rückt deren Exponenten gern ins Schaufenster der Öffentlichkeit. Andreas Brunner begegnet seiner wachsenden Medienpräsenz mit gemischten Gefühlen. Zum einen befürchtet er den Verlust der Sachlichkeit, andererseits anerkennt er den Nutzen öffentlicher Aufklärungsarbeit.

Die Kollegen beobachten die Medienpräsenz Brunners mit Argusaugen. Immerhin gehört man - ähnlich den Ärzten - einer Zunft an, die einem Werbeverbot unterliegt und sich nicht zuletzt deshalb der dezenten Diskretion verschrieben hat. Da wird vehement die Angst vor der medialen "Übersättigung" der Bevölkerung beschworen. Etwelche befürchten sogar die Beeinträchtigung der justiziellen Neutralität. Doch nicht selten verbirgt sich hinter solcher Sorge der pure Neid auf die grosse Beachtung des Kollegen.

Brunner selber hält sich für unabhängig genug, um weder in die eine noch in die andere Falle zu tappen. Er verfügt über genug nüchterne Professionalität und Sachbezogenheit - wie viele, die mit ihm zusammenarbeiten, bestätigen - und scheut folglich auch unpopuläre Forderungen oder Entscheide nicht. So brachte er jüngst im Rahmen eines Vortrags vor dem Schweizer Kinderschutzbund die "chemische Kastration" als Massnahme zur Behandlung von Sexualdelinqenten aufs Tapet, und löste damit einen Sturm der Entrüstung aus. Dass zeitgleich und rein zufällig der SVP-Nationalrat Maximilian Reimann dieselbe Forderung aufstellte, bezeichnet Brunner im Nachhinein als "Mesalliance" - so what? Dass man aber seine Aussage derart verkürzt in der Presse wiedergab und ihn in die Ecke der strafrechtlichen Hardliner rückte, ärgerte ihn schon mehr. An seiner grundsätzlichen Überzeugung, dass dieses Mittel, dosiert und nur mit dem Einverständnis des Betroffenen angewandt, zur Risikoverminderung beitragen könne, hält er indessen fest.

Er reagiert auch gelassen, wenn ihn die NZZ für das in einem Sexualdelikt beantragte Strafmass von achtzehn Monaten bedingt harsch als zu milde kritisiert. Sachlich begründet er seine Position.

Wer ihn regelmässig im Gericht erlebt oder beim Füsilierbataillon 277, das er kommandierte, mit ihm zu tun hatte, beschreibt Brunner als "undogmatischen, lernfähigen und neugierigen Menschen". Aus seinem beruflichen Umfeld verlautet, er sei nicht auf "fixe Feindbilder" angewiesen und begegne auch den Angeklagten in der Regel mit Unvoreingenommenheit und ehrlichem Interesse. Unter den Gerichtsberichterstattern ist er nicht zuletzt deshalb beliebt, weil er ihnen offen und unverkrampft begegnet.

All diese Fähigkeiten mögen ihn auch anfangs der neunziger Jahre dazu prädestiniert haben, sich des komplexen Themas der sexuellen und sonstigen Gewalt gegen Kinder anzunehmen. Wie in kaum einem anderen Bereich war er genötigt, die jahrzehntealte Fixierung der Justiz auf die Täter aufzubrechen und den Blick auf die Bedürfnisse der minderjährigen Opfer zu lenken. Seine Haltung gegenüber Kindern ist unmissverständlich.


Welcher Wertvorstellung fühlen Sie sich primär verpflichtet, wenn Sie bei Gewaltverbrechen gegen Kinder Anklage erheben?

Brunner: Der Idee vom Kind als eigenständiger Persönlichkeit und damit seinem Wohl.

Was hat Ihnen Ihre Kinderschutz-Arbeit über die Situation der Mädchen und Knaben in unserem Land offenbart?

Brunner: Es ist tragisch, feststellen zu müssen, in welchem Ausmass Kinder zu einer Masse, einem Produkt herabgewürdigt werden, mit dessen Hilfe man der eigenen sexuellen oder auch materiellen Befriedigung nachgeht. Kinder werden von vielen überhaupt nicht als eigenständige Subjekte wahrgenommen.

Kinder haben eben keine Lobby.

Brunner: Kinder, Alte und Gebrechliche haben tatsächlich keine Lobby. Nehmen Sie nur einmal das Beispiel eines Scheidungsprozesses, in dem die Kinderzuteilung strittig ist. Der Vater hat einen Anwalt, die Mutter hat einen Anwalt, nur das Kind, dessen Wohlergehen eigentlich im Zentrum des ganzen Prozesses stehen müsste, wird von niemandem vertreten. Kinder sollten, meiner Meinung nach, sowohl in Scheidungsprozessen wie in Vormundschaftsfällen einen eigenen Anwalt haben. Da muss unbedingt etwas geschehen.

Unsere Gesellschaft hält sich ja auch dann noch vornehm zurück, wenn Kinder geschlagen werden. Da ist dann die Rede von der Privatangelegenheit der Eltern; man guckt betreten zu Boden und schweigt, auch wenn man mitbekommt, wie Abend für Abend ein Kind misshandelt wird.

Brunner (heftig): Da halte ich unsere Gesellschaft natürlich schlicht für krank. Wenn ein Auto falsch vor einem Haus parkiert wird, kommt die Reklamation aber unter Garantie sofort. Wenn jemand einen kleinen Ast abschneidet, der dem Nachbarn gehört, gibt es Riesengeschichten. Aber wenn ein Kind permanent gegen die Wand geknallt wird,..., ja, das ist klar, dann herrscht Schweigen. Nur sage ich Ihnen: Wir alle müssen uns an die eigene Nase fassen. Wie schnell wird ein Kind übergangen. Wie oft werden in Familien Aktivitäten beschlossen, ohne auf die Bedürfnisse der Kinder Rücksicht zu nehmen. Es ist etwas vom Schwierigsten, die Kinder konsequent ernstzunehmen. Da wird doch auch ein gehöriges Stück Macht ausgelebt.

Sie sind regelmässig mit scheusslichen Verbrechen konfrontiert, die an Kindern begangen werden. Können Sie sich erklären, wieso Menschen anderen Menschen, und noch dazu den wehrlosesten, so etwas antun?

Brunner: Da kann ich Ihnen nur die einfachste Erklärung geben: Der Mensch ist eine Fehlkonstruktion - eine verletzte wie eine verletzende. Jedenfalls tut er sich schwer damit, mit seinen Eigenschaften und Möglichkeiten verantwortungsbewusst umzugehen. Man ist versucht, den Glauben an das Gute im Menschen ad acta zu legen.

Wie ertragen Sie all das Elend und die Verzweiflung, die Ihre Arbeit Ihnen immer wieder vor Augen führt?

Brunner: Es braucht eine gewisse professionelle Distanz. Man muss diese Fälle, auch wenn das jetzt etwas pathologisch klingt, abspalten. Sonst könnte man gar nicht weiterarbeiten. Natürlich gibt es Schicksale, die einen mehr aufwühlen als andere. Als ich einmal mit einem Tötungsdelikt konfrontiert war, dessen Opfer ich persönlich kannte, musste ich den Fall abgeben, weil ich gefühlsmässig zu stark involviert war. Ich denke, in solchen Momenten ist es fast unmöglich, sachlich und distanziert zu bleiben.


Andreas Brunner macht in seiner Kinderschutz-Tätigkeit weit mehr, als nur Einzelfälle zu behandeln und zur Anklage zu bringen. So hat er als Strafverfolger Einsitz in der kantonalen Kommission für Kindesschutz; er beaufsichtigt die Kinderschutzgruppe der Zürcher Bezirksanwaltschaften. Seit kurzem präsidiert er zudem die Arbeitsgemeinschaft Kinderprostitution. Deren Vorstandsmitglied, die SP-Nationalrätin Margrit von Felten, freut sich, "mit Andreas Brunner einen Pionier und Praktiker auf diesem Gebiet gewonnen zu haben." Es sei ein unmissverständliches Zeichen, wenn der Vertreter einer staatlichen Institution mit seiner ganzen Autorität öffentlich zu den Anliegen der Arbeitsgemeinschaft stehe.

Brunner wird von sich aus aktiv, wenn "sein" Thema innerhalb der Gesetzgebung berührt wird. Dann wendet er sich an die Bundesbehörden in Bern oder schreibt FDP-Ständerätin Vreny Spoerry einen Brief, um punkto Verjährungsfristen bei Sexualdelikten gegen Kinder seine Intentionen an geeigneter Stelle einzubringen. Oder er kontaktiert in der gleichen Sache die FraP-Nationalrätin Christine Goll, bittet um einen Gedankenaustausch und dokumentiert sie in der Folge mit Beispielen aus dem internationalen Recht. Das ist keineswegs selbstverständlich für den Vertreter einer staatlichen Institution, und Goll anerkennt das auch: "Immerhin zähle ich zum klar linken Spektrum, und trotzdem sucht Brunner von sich aus den Kontakt zu mir, weil er um meine diesbezügliche politische Arbeit weiss."

Brunner engagiert sich zudem für verbesserte Vernehmungstechniken von minderjährigen Opfern, pocht auf Weiterbildung aller beteiligten Mitarbeitenden wie Polizistinnen oder Bezirksanwälten, fordert die Inangriffnahme von Forschung, vermehrter Prävention und Nachbetreuung von strafentlassenen Sexualdelinquenten, die zu den rückfallgefährdetsten aller Täter zählen.

Wer mit ihm zusammenarbeitet, empfindet ihn als "angenehmen, aber auch anstrengenden Partner". Er habe Ideen im Überfluss, ständig müsse etwas laufen. Eine seiner erstaunlichsten Ideen gründet auf der im Rahmen seiner Tätigkeit gewonnenen Vermutung, dass unter den Sexualdelinquenten auffallend viele EDV-Berufsleute anzutreffen seien. Das sei so eine Art "Lieblingsthema" von ihm; er wundere sich schon, sagt er grinsend, dass er noch keine Klage von einem Computerkonzern auf dem Tisch habe, wobei er - "Spass beiseite" - eigentlich eher auf eine künftige Zusammenarbeit und einen Forschungsauftrag des Unternehmens hoffe: "Die möglicherweise kommunikationsgestörten Computerfreaks möchte ich endlich einmal unter die Lupe nehmen."

Brunner weiss, dass er Sysiphusarbeit leistet, wenn er sie auch als kreativ, neu und bereichernd empfindet. Wenn er sich verstärkt mit den innerfamiliären Sexualdelikten befasse, trieben es die Pädophilen via Internet doppelt bunt - einer Technologie, von der die Strafverfolger, wie er zugibt, überrascht worden seien. Es sei mehr als Handlungsbedarf gegeben, um den bestens organisierten "Pädosexuellen", wie er sie nennt, auf die Pelle zu rücken.

Andreas Brunner glaubt an die Kraft des Wortes. Den Begriff "Pädophile", das heisst "Kinderfreunde", hat er aus seinem Wortschatz gestrichen, da er beschönigend und missverständlich sei. Ihm sträuben sich auch die Haare, wenn er den juristischen Fachterminus "Mitnahmeselbstmord" hört, der nichts anderes umschreibt als den Mord an Söhnen, Töchtern und Ehepartnern, bevor sich der Täter oder die Täterin selbst umbringt. Der Jurist liebt die schöne Literatur und kann "seinen" Hölderlin, Schiller und Dürrenmatt frei zitieren.

Das ist aber auch schon alles, was sich Brunner an Privatem entlocken lässt. Über seine familiäre Situation mag er nicht reden. Da macht er dicht, misstrauisch besorgt um die Wahrung seiner Privatsphäre - Ausdruck professioneller Deformation? Schliesslich ist Brunner Staatsanwalt und zieht das Hemd lieber den anderen aus.

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© Barbara Lukesch