Wunschdenken bei der Wahl der Präservativgrösse kann gefährlich sein

Zentrale Frage / 25. Oktober 2001, "Facts"

Symbolbild Thema Sexualität

Die grösste Sorge des Mannes gilt seinem Johannes. Die Vorstellung «Nur ein grosser Schwanz ist auch ein guter Schwanz» spukt nach wie vor durch viele Männerköpfe und hinterlässt Verunsicherung und Selbstzweifel. Nie würde ein Mann öffentlich zugeben, dass der eigene kleine Gernegross nicht dem vermeintlichen Standard entspricht. Dabei gibt es Gelegenheiten, wo er genau über seine Masse Bescheid wissen und unter Umständen sogar Auskunft über sie geben müsste: Bei der Wahl und dem Kauf eines passenden Präservativs.

Dass die Frage der richtigen Kondomgrösse ein hoch brisantes Thema ist, erkannte die Aids-Hilfe Schweiz im Frühling. Als sie im Rahmen ihrer Stop-Aids-Kampagne in den hiesigen Medien ein Inserat schaltete, das einen dünnen Spargel umhüllt von einem viel zu grossen Gummi zeigte, hagelte es Anrufe und E-Mails: Knapp hundert Männer und einige Frauen wollten wissen, wo es kleinere beziehungsweise engere Kondome gibt.

Der Sprecher der Aids-Hilfe Schweiz, Mark Bächer, ist überzeugt, dass «nur die Spitze des Eisbergs» sichtbar geworden ist: «Offensichtlich brauchen viel mehr Männer als bisher angenommen ein kleineres Präservativ.» Diese Erkenntnis ist für die HIV-Prävention wichtig: Sitzt das Kondom nicht richtig, erhöht sich das Risiko einer Ansteckung mit Aids. Die Gefahr ist erkannt, doch bei weitem nicht gebannt. Die Schweizer Kondomproduzenten führen nämlich bisher keine kleinen Gummis in ihrem Sortiment. Peter Matzner, technischer Leiter bei Lamprecht (Ceylor), bringt das Dilemma seiner Branche auf den Punkt: «Wir blöden Männer kaufen doch nichts, auf dem «small» draufsteht, auch wenn es noch so sinnvoll wäre.» Gleichwohl stellt er Tests in Aussicht, die eines Tages dazu führen könnten, die Marktlücke zu schliessen.

Wie schmal ist schmal genug?

Die Migros (Cosana) war schneller und ergänzte ihre Produktepalette Ende September um ein Angebot namens Mamba. Dieses Kondom, benannt nach einer schlank gebauten afrikanischen Giftnatter, wird einen Durchmesser von 51 Millimeter aufweisen und damit einen Millimeter schmaler sein als die Standardvariante regular.

Bei aller Freude über die Angebotserweiterung überwiegt auf Seiten der Aids-Hilfe die Skepsis: «Reicht die Reduktion um einen Millimeter?», fragt Bächer, «oder bräuchte es nicht sogar ein Kondom, das nur zwischen 48 und 49 Millimeter breit ist?» Christiane Weigand von der Zürcher Condomeria, dem Schweizer Spezialitätengeschäft in Sachen Gummis, weiss auf jeden Fall zu berichten, dass ihre Kondomsorten Manhattan, Euroglider und Snugger Fit - drei Gummis, die viel schmaler als 50 Millimeter sind - insbesondere unter den Internetbestellungen klar an der Spitze liegen.

Wollte man das Problem also an der Wurzel packen, bräuchte es Kondome für all jene Männer, die nicht über den - wie Weigand sagt - «europäischen Durchschnittsschwanz» verfügen, der in die Euronorm-600-Grösse von 18 Zentimeter Länge und 52 Millimeter Breite passt.

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© Barbara Lukesch