Heute dürfen alle (fast) alles - aber viele wollen gar nicht mehr

Sexualtherapie / 5. September 2004, "NZZ am Sonntag"

Symbolbild Thema Sexualität

Eigentlich ist es erstaunlich. Da leben wir in einer Informationsgesellschaft, in der der Zugang zu Wissen dank einem weltweiten Netz so einfach ist wie nie zuvor. Wir sind so aufgeklärt wie keine andere Generation, und trotzdem mangelt es vielen Menschen nur schon an der Kenntnis und Technik, um ihre Sexualität auf befriedigende Art erfahren zu können. Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären?

Der Zürcher Sexologe Peter Gehrig sagt: «Sex wird in den Medien vermarktet, aber an fundierten Informationen, die Hilfe bieten, fehlt es weitgehend.» Das überrasche ihn nicht, wirke doch in unserer Gesellschaft immer noch der alte Antagonismus von Geist und Körper. Die Liebe werde deutlich höher bewertet als die Genitalität und Körperlichkeit: «Wir leben sozusagen in einer emotionalen Hyper- und einer genitalen Subkultur.» Der Liebesroman liegt auf dem Tisch, so Gehrig, die Pornografie, in der Sexualität explizit zur Darstellung kommt, versteckt in der Schublade. Oder: Mütter und Väter fördern zwar die geistige Entwicklung ihrer Kinder und freuen sich über deren Fortschritte. Zeigen ihre Söhne und Töchter aber sexuellen Forscherdrang und beginnen zu onanieren, reagieren viele Eltern immer noch irritiert.

Es fehlt an Fachleuten

Die Geringschätzung der Sexualität wird auch daran deutlich, dass die Sexualwissenschaft nahezu weltweit ein Schattendasein fristet. Als eine der wenigen Ausnahmen findet sich an der Université de Quebec in Montreal eine eigene sexologische Fakultät, während sich Frankfurt und Hamburg mit Spezialabteilungen unter den Fittichen von Medizin und Psychiatrie begnügen und Zürich sich mit einer einzigen, personell unterbesetzten sexualmedizinischen Sprechstunde zufrieden geben muss. Ins Bild passt, dass Sexualtherapeut hierzulande kein geschützter Titel ist und sich letztlich jede(r) so nennen kann, ohne spezifische Qualifikationen vorweisen zu müssen.

Eine der gravierendsten Folgen dieser Situation ist, dass es überall an guten Fachleuten fehlt. So erteilen oft überforderte Hausärzte oder Gynäkologinnen, die nicht einmal über elementares sexologisches Wissen verfügen, Ratschläge. In Zürich müssen Hilfesuchende bis fünf Monate warten, ehe sie einen Termin in der sexualmedizinischen Sprechstunde bekommen. Das ist bedenklich, denn um die Sexualität vieler Männer und Frauen steht es nicht so, wie sie es sich wünschen.

Ein Grossteil der Männer onaniert im Sitzen. In dieser Haltung ist die Muskulatur von Gesäss, Beckenboden und Oberschenkeln stark angespannt; die Atmung ist eingeengt. Diese Männer rubbeln ihren Penis in einem mechanischen Rhythmus, hohem Tempo und mit zunehmend grösserem Druck, bis es zur Entladung kommt, der verdienten, aber schnell verpufften Belohnung nach einem Stück Schwerarbeit. Der Volksmund spricht denn auch treffend von «wichsen» oder «sich einen runterholen» und bringt so zum Ausdruck, dass dies wenig mit Lust und Genuss, dafür aber sehr viel mit «Chrampf» und Leistung zu tun hat.

Darüber hinaus hat dies nicht selten weitreichende Folgen: Wer sich auf diese Art selbst befriedigt, zielt auch beim Geschlechtsverkehr mit seiner Partnerin in erster Linie auf mechanische Reibung, statt sich in Musse dem vergnüglichen, phantasievollen Spiel aller Sinne hinzugeben. Kurz: Er bumst und kommt oftmals innert Sekunden. Das ist frustrierend für Mann und Frau und beeinträchtigt ihr Sexualleben mit der Zeit immer mehr.

Überzeugende Vorführung

Der Sexologe Peter Gehrig spricht meist mit gedämpfter Stimme und ist ein zurückhaltender, fast schüchtern wirkender Mann. Jetzt aber steht Gehrig mitten in seiner Praxis und bewegt seine Hüften ebenso entspannt wie eindeutig vor und zurück. Er zeigt, wie ein imaginärer Penis allein über die Bewegungen des Beckens in seiner Hand ohne Druck hin und her gleiten kann. Das ist das exakte Gegenteil des herkömmlichen Rubbelns. Zur Steigerung des Genusses empfiehlt er ein fein riechendes Körperöl und illustriert allerlei Variationen von Rhythmus und Bewegung. Die Vorführung überzeugt: So wäre männliche Selbstbefriedigung zweifellos lustvoller, raffinierter auch, intensiver und würde Körper und Seele wirklich wohl tun.

Eine solche Übung ist Teil der sexualtherapeutischen Behandlung, mit der Gehrig Männern hilft, die an vorzeitigem Samenerguss leiden. Diese verfügten zwar meist über eine gute Libido und Erektionsfähigkeit, sagt der Sexologe, hätten jedoch nie gelernt, ihre Erregung auf lustvolle Weise zu verlängern. Indem sie Übungen machen, schulen sie ihre Selbstwahrnehmung und entdecken, dass erst Sensibilität für den eigenen Körper, Gefühle und Phantasien der Sexualität eine erotische Dimension verleihen.

Bei Gehrig beginnt eine Sexualtherapie mit der Abklärung, welche sexuellen Fähigkeiten der Patient bisher erworben hat. Dazu gehören auch seine Einstellungen und sein Wissen über Sexualität. Erst auf der Basis dieser Erkenntnisse kann der Sexologe seine Klienten dazu anleiten, ihr sexuelles Verhalten zu modifizieren und lustvollere Formen zunächst von Autoerotik und später dann auch von Paar-Sexualität zu erlernen.

Ob hierzulande, in Hamburg, Helsinki oder San Francisco - die Beratungsstellen sehen immer mehr Menschen, die über Lustlosigkeit und sexuelle Langeweile klagen. Das sind mehrheitlich Frauen, aber die Zahl der männlichen Ratsuchenden nimmt stetig zu und lässt die Experten konstatieren: «Heterosexuelle Paare zwischen zwanzig und sechzig Jahren zeigen ein eher karges Sexualleben.»

"Banalisierung des Sexuellen"

Wie lässt sich dieses Phänomen erklären? Schliesslich ist unsere Welt sexualisiert wie noch keine zuvor. Überall locken Sexualreize. Hier liegt ein weiblicher Teenager lasziv auf einem Plakat und streckt dem Betrachter den jungen Busen verführerisch entgegen. Dort sitzt ein knackiger Adonis, nur in Slips bekleidet, und präsentiert auf einer Litfasssäule seinen tropfnassen Edelkörper. Doch diese Freizügigkeit und mediale Omnipräsenz von Nacktheit haben auch ihre Schattenseiten, führen sie doch laut dem Hamburger Sexualforscher Gunter Schmidt zu einer «Banalisierung des Sexuellen und einer Entdramatisierung des Triebes». Kurz: Was im Überfluss zu haben ist, verliert seine Attraktivität. Klagten die Menschen früher noch über einen Mangel an Möglichkeiten, um ihre geballte Triebspannung los zu werden, leiden sie inzwischen an einem Zuwenig an Erregung und sexuellen Wünschen.

Dabei dürften heute alle (beinahe) alles. Sexuelle Tabus, machen uns die Medien weis, gehören längst der Vergangenheit an. Aber - und hier liegt eine weitere Erklärung für die beklagte Lustlosigkeit - der moderne Mensch darf auf keinen Fall nicht wollen. Im Gegenteil: Sexuelle Leidenschaft ist zur Pflicht geworden. Erfolgsbewusste Zeitgenossen sind nicht nur gut im Beruf, sondern auch aktiv im Bett. Phasen der Lustlosigkeit werden unter solchen Voraussetzungen zur Bedrohung einer Partnerschaft. Und das umso mehr, als sich die Ehe nur noch legitimieren lässt, wenn Lust und Leidenschaft florieren. Erlischt das Begehren, zieht heute nahezu jedes zweite Paar einen Schlussstrich und lässt sich scheiden.

Die Zeiten, in denen die Ehe ein Zweckbündnis war, das der materiellen Existenzsicherung und der Aufzucht des Nachwuchses diente, sind längst vorbei. Damals galt die Sexualität noch als intakt, wenn sie zur Zeugung von Kindern führte und im Sinne des alten «Dampfkesselmodells» zum Abbau von Spannungen beitrug, und zwar «einigermassen regelmässig, kurz, schmucklos, routiniert, ähnlich dem Zähneputzen und wie dieses kurz vor dem Einschlafen», wie der Sexualforscher Schmidt konstatiert.

Das "Kunstwerk" als Idealfall

Damit gibt sich heute natürlich niemand mehr zufrieden. Moderne Paare wollen eine Sexualität, die leidenschaftlich und phantasievoll ist und Mann und Frau gleichermassen beglückt. Im Idealfall sollte sie zum Kunstwerk werden, in dem das Paar in Ekstase verschmilzt. Diese Ansprüche sind hoch und lassen sich, wenn überhaupt, nicht jeden zweiten Tag erfüllen. Trotzdem lassen sich viele Menschen nach wie vor von den berüchtigten Zahlen zur durchschnittlichen Koitusfrequenz (dreimal pro Woche!) verrückt machen und streben wie Buchhalter danach, ihr sexuelles Soll zu erfüllen. «Als seien dreimal die Woche fünf Minuten lang irgendwie vergleichbar mit einer aufwühlenden Nacht einmal im Quartal», relativiert Schmidt die Bedeutung jener Zahlen, die seine eigene Zunft überhaupt erst erhoben hat.

Leistungsdruck, genormte Vorstellungen und überrissene Erwartungen, wie die perfekte Sexualität auszusehen habe, gelten unter Fachleuten denn auch als massgebliche Lustkiller. So sieht Claus Buddeberg, Sexualmediziner aus Zürich, in seiner Sprechstunde immer wieder Paare, die sich in Beruf, Freizeit und Sozialleben durchaus als zwei individuelle Wesen wahrnehmen, im Bett aber der irrigen Annahme verfallen, sie seien als Liebespaar nur gut, wenn ihre sexuellen Bedürfnisse sich deckten. Dass damit nichts als Stress entsteht, ist offensichtlich.

Doch was nun? Wie kann einer Gesellschaft geholfen werden, die gern als «oversexed, but underfucked» bezeichnet wird? Verschiedene Disziplinen wissen Rat. Urologen, die eine sexuelle Störung primär als Ausdruck eines organischen Defekts betrachten, verschreiben Viagra und stossen damit bei vielen Männern auf dankbare Abnehmer. Das Milliardengeschäft mit dem «blauen Diamanten» beweist, dass der männliche Zugang zum eigenen Körper nach wie vor ein mechanischer ist - Hauptsache, alles funktioniert. Tiefer liegende Ursachen für Impotenz, Ejaculatio praecox oder Libidostörungen interessieren diesen Patiententyp nicht.

Psychoanalytisch arbeitende Therapeuten und Therapeutinnen spüren den individualpsychologischen Konflikten nach, die einem sexuellen Symptom zugrunde liegen könnten. Für die systemischen Paartherapeuten hingegen ist Lustlosigkeit ein deutliches Zeichen einer Beziehungsstörung, die es mit entsprechenden Instrumenten zu beheben gilt. Ist die Luft zwischen Mann und Frau wieder rein, so die These, werden sich die natürlichen sexuellen Funktionen in alter Frische zurückmelden.

Hausaufgaben machen

Sexologen, Sexualmediziner oder Sexualtherapeutinnen (bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Ansätze) vertrauen dagegen lieber auf die Wirksamkeit von Körper- und Zärtlichkeitsübungen, dank denen das Sexualverhalten eines Einzelnen oder eines Paares verändert wird. Sie sprechen ganz profan von «Hausaufgaben» und «Lernzielen», von «Werkstätten» und «Liebesschulen» und bringen damit zum Ausdruck, dass sie Sexualität für lernbar halten.

Interessanterweise knüpfen all diese Modelle letztlich bei der von William Masters und Virginia Johnson schon 1970 publizierten Sexualtherapie an. Das amerikanische Forscherduo behandelte Paare stets gemeinsam, um sowohl der Frau wie dem Mann einen Vertreter des eigenen Geschlechts gegenüberzustellen. Die Therapie war nahezu stationär: Sie dauerte bei täglichen Sitzungen zwei bis drei Wochen, während deren die Patienten nicht arbeiteten und ausserhalb ihrer gewohnten Umgebung lebten, um sich ganz auf den therapeutischen Prozess konzentrieren zu können. Dieser bestand aus Verhaltensanweisungen für sogenannte Übungen, die das Paar zwischen den Sitzungen ausführte und anschliessend besprach und auswertete.

Die Übungen folgten einem strikt vorgegebenen Plan. In der Anfangsphase war nur Streicheln gestattet, später genitale Stimulation, dann Petting bis zum Orgasmus und erst gegen Abschluss der Behandlung sexuelle Betätigung frei nach den Wünschen von Frau und Mann. Das Verhängen eines vorübergehenden Koitusverbots gilt unter Fachleuten noch heute als «Geniestreich», da es Paare auf einen Schlag von lähmender Versagensangst und lusttötendem Leistungsdruck befreie. Entsprechend gross sind denn auch die nach dieser Methode erzielten Therapieerfolge.

Bei Bedarf Medikamente

Im Laufe der Zeit wurden gleichwohl verschiedene Modifikationen angebracht. So beschränkt sich das sogenannte Hamburger Paarmodell, das sich explizit als Weiterentwicklung von Masters und Johnson versteht, auf einen einzigen Therapeuten beziehungsweise eine Therapeutin. Dazu wurde der stationäre Charakter des Verfahrens aufgehoben und durch ein bis zwei wöchentliche Sitzungen ersetzt. Auch die sexualmedizinische Sprechstunde am Universitätsspital Zürich basiert auf den Grundthesen von Masters und Johnson. Leiter Claus Buddeberg sagt: «Wir wenden sowohl Elemente dieser Verhaltenstherapie als auch der Tiefenpsychologie nach Freud und des paartherapeutischen Konzepts von Jürg Willi an.» Bei Bedarf werde auch medikamentös behandelt.

Buddeberg schildert einen typischen Fall aus seiner Praxis. Rudolf Kleimann* ist ein 58-jähriger Bankdirektor, der beruflich unter grossem Stress steht. Seit rund fünf Jahren hat er mit Erektionsstörungen zu kämpfen: «Mal klappt es», sagt er, «dann wieder nicht.» Verunsichert, wie er war, zog er sich letztlich ganz aus der sexuellen Beziehung mit seiner Frau zurück. Sie fühlte sich darob vernachlässigt, wurde depressiv.

Kleimann realisierte eines Tages, dass seine Pensionierung absehbar war und er endlich etwas in die Verbesserung seiner Ehe investieren musste. Er gelangte an die sexualmedizinische Sprechstunde. Nach einigen Einzelgesprächen, in denen ihm bewusst wurde, wie viel Angst das Ende seiner Karriere und der damit verbundene Statusverlust in ihm auslöste, wurde seine Frau mit einbezogen. Jetzt wurde die Dynamik ihrer Paarbeziehung analysiert. Die Eheleute fanden schliesslich heraus, dass sich die Frau, die nicht erwerbstätig war, frustriert fühlte und sich vieles von ihrem Mann gefallen liess, was ihren Bedürfnissen zuwiderlief. Als die Sexualität zur Sprache kam, wagte sie in Gegenwart des Therapeuten erstmals, zu artikulieren, dass sie die Körperhygiene ihres Mannes für ungenügend hielt, ihn zu dick fand und lieber mal morgens statt immer spätabends mit ihm ins Bett gegangen wäre. Er nahm sich ihre Kritik zu Herzen. Die beiden bekamen eine Reihe von Zärtlichkeitsübungen verordnet, die sie zwischen den Sitzungen ausführten. Dazu schluckte Kleimann mit dem Einverständnis seiner Frau während eines halben Jahres Viagra, verbesserte damit seine Sexualphysiologie und brachte seine Impotenzängste unter Kontrolle. Seither geht es Kleimanns bedeutend besser.

Übung macht den Meister

Peter Gehrig, der mit fünf sexualtherapeutischen Spezialausbildungen wohl bestgeschulte Sexologe in der Schweiz, bevorzugt den Ansatz «sexo- corporelle» des kanadischen Professors Jean Yves Desjardins. Dieser geht davon aus, dass sexuelle Fertigkeiten trainiert und verbessert werden können. Wer hätte gedacht, dass Sexualität genauso erlernt werden muss wie das Spielen eines Instruments? Hier wie dort gilt: Übung macht den Meister beziehungsweise die Meisterin.

Diese Erkenntnis macht nicht einmal vor den Toren einer tantrischen Liebesschule wie derjenigen von Doris Christinger und Peter Schroeter in Zürich Halt. Dort sind zwar die Begriffe etwas vollmundiger und reichen von «Sky Dancing Tantra», der von ihnen angewendeten Methode, bis zum «Training in Ekstase und Liebe» (T. E. L.), einem Jahresprogramm, das dreimal neun Seminartage umfasst, pro Nase stolze 4800 Franken kostet und in Gegenwart von 45 Mitschülern gemäss Prospekt zu interessanten Einsichten führt: «Durch die Kunst, sich im sexuellen Feuer zu entspannen, wird körperliche Liebe zur Meditation.»

Im Seminarhotel bedeutet das dann überraschend harte Arbeit. Die Teilnehmenden machen sich ihre individuelle Sexualgeschichte und die dahinter liegenden Prägungen bewusst. Sie lernen, auch in heiklen Situationen ihre Bedürfnisse und Phantasien zum Ausdruck zu bringen. Dazu üben sie, ihr Becken zu schwingen, bis es warm und wohlig wird. Sie singen Mantras und produzieren Töne, von denen sie gar nicht wussten, dass es sie gibt. Neue Atemtechniken werden erprobt, bis alle spüren: Wer mehr «Pfuus» hat, ist lebendiger und hat einen direkteren Draht zu seinen Gefühlen und Empfindungen. Man zelebriert feierliche Rituale, es wird meditiert und massiert, und mit fortschreitender Dauer des Programms zielen die Übungen immer direkter auf die Geschlechtsorgane.

Eine Gruppensexorgie ist das «Training in Ekstase und Liebe» trotzdem nie. Ganz im Gegenteil. Attestierte doch sogar eine Forschungsarbeit der Ludwig-Maximilian-Universität München dem T. E. L. «Effektivität» und hielt fest: «Die Teilnehmer gewinnen als Ergebnis des Seminars unter anderem an Ich-Stärke, zeigen sich weniger ängstlich, können unbefangener mit dem anderen Geschlecht umgehen, mehr Liebe schenken und sind bindungsfähiger. Dazu ergreifen sie vermehrt die sexuelle Initiative und erleben in der sexuellen Interaktion eine grössere Intensität der Erregung.»

Mehr Gelassenheit

Trotzdem empfehlen Fachleute diese Programme nicht jedermann. Der erfahrene Berner Paartherapeut Klaus Heer etwa gibt zu bedenken, dass Liebesschulen und Tantra-Seminare mit Therapie nichts zu tun haben und zur Lösung von sexuellen Problemen ungeeignet, ja sogar kontraindiziert seien: «Das sind Projekte für Paare mit überdurchschnittlich entwickelter Kommunikationsfähigkeit und gemeinsamer sexueller Kompetenz.»

Cynthia und Max Bauer* müssen ein solches Paar sein. Die beiden sind treue Kunden von «Sky Dancing Tantra» und haben inzwischen auch das «Training in Ekstase und Liebe» durchlaufen. Ihr Ziel war es, «die Möglichkeiten der eigenen Sexualität zu erweitern und über eingefahrene Verhaltensmuster hinauszukommen.» Genau das, aber noch viel mehr hätten sie erreicht, sagen beide mit grosser Begeisterung. Sie seien im Bett experimentierfreudiger geworden, mutiger auch, könnten sich besser gehen lassen und hätten ihre sexuelle Kommunikation verbessert. Dennoch gebe es auch in ihrer Partnerschaft nach wie vor Phasen von Lustlosigkeit, denen sie heute allerdings mit mehr Gelassenheit und der Gewissheit begegneten, dass dies nicht das Ende der Leidenschaft, sondern nur «eine ganz normale Stimmungsschwankung» sei.

Was will man mehr?

* Alle Namen geändert.

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© Barbara Lukesch