Nudelsäckli tricolore

Kochmeisterschaft / 5. Mai 2002, "NZZ am Sonntag"

Symbolbild Thema Männer

Markus Haegi gibt alles. Der amtierende Schweizer Meister unter den Hobbyköchen schält Äpfel, raffelt Kartoffeln, rüstet Lauch, zupft frisches Rosmarin, schneidet Fleisch in mundgerechte Portionen, setzt eine Sauce aus altem Balsamicoessig und Pinienhonig an, brät, würzt nach, probiert - und gerät langsam ins Schwitzen, denn die Zeit läuft dem 57jährigen Architekten aus Weiach ZH davon.

Als er der Jury schliesslich seine «Variationen von Kaninchen-Innereien auf Apfelrösti» präsentiert, hat er die peinlich genau kontrollierte Wettkampfzeit von zwei Stunden um einige Minuten überschritten. Das gibt einen Punktabzug und stimmt Haegi alles andere als froh. Doch damit nicht genug. Die Juroren, darunter der unbestechliche Robert Haupt, Chef des Zürcher Gourmetrestaurants «Flühgasse», sind weder vom Arrangement des Gerichts noch von der Qualität des Fleisches und dem Geschmack der Sauce begeistert. Regelrecht unwillig reagieren sie auf die Grösse der Portion: «Zu üppig und überladen», lautet ihr Verdikt. Fazit: Nur 115 von maximal 150 Punkten. Der Titel ist hin und Markus Haegi bitter enttäuscht, als er am Ende des Nachmittags weit abgeschlagen auf Platz 11 landet. «Ich habe mir wohl zu viel vorgenommen», sagt er zerknirscht.

Wenn Männer kochen, sind sie von Ehrgeiz beseelt und streben nach Perfektion. Das ist wenig überraschend. Schliesslich treten sie am liebsten dann an den Herd, wenn Gäste kommen, die nicht mit Applaus geizen und den Herrn des Hauses ausgiebig für seinen neusten Fünfgänger loben. Gern lassen sie sich auch von Freunden als Störkoch anheuern oder nehmen an Wettkämpfen teil. Hauptsache, sie stehen auf der Bühne und wirken vor Publikum. Während Frauen jahraus, jahrein die Familie durchfüttern und die Kinder möglichst gesund und kostengünstig ernähren, zaubern die Männer in der Küche und zwar vorzugsweise am Wochenende, frei von allen Gedanken ans Budget, irgendwelche Kalorientabellen und den anfallenden Abwasch. Den überlassen sie in der Regel ihren Partnerinnen, die sie wohlwollend als Assistentinnen bezeichnen. Für Männer ist Kochen Kür, für die Frauen Pflicht.

Mit Feuereifer dabei

Davon konnte sich das Publikum gestern auch in der Sporthalle Unterrohr in Schlieren ZH überzeugen. Knapp zwanzig Herren der Schöpfung traten an, um den Titel des «Schweizer Meisters der Hobbyköche» unter sich auszumachen: Junge und Alte, Teilnehmer mit blütenweisser Kochmütze oder saloppem Stirnband, Anwälte, Elektroniker, Kaufmänner oder Lehrer standen an den fünf Wettkampfbahnen im Einsatz und gingen mit Feuereifer zur Sache, ganz unbeeindruckt vom nüchternen Ambiente der riesigen Mehrzweckhalle.Die Spannung war mit Händen zu greifen. Hier mahnte ein Küchentimer zur Eile, dort wurde ein Kopf rot und röter. Schweissperlen rannen über Schläfen, eine Oberlippe wurde nervös mit den Zähnen malträtiert. Einer räusperte sich pausenlos, ein anderer fluchte unentwegt über den Herd, der einfach nicht so tat, wie er wollte.

Ausgerüstet mit gewaltigen Messerkoffern, Kochtöpfen nur vom Feinsten, hochkarätigen Mixern oder einer ultramodernen Mikrowelle brachten die Männer Geräte mit, von denen die Hausfrau nicht einmal zu träumen wagt. In höllischem Tempo schälten die Wettkämpfer grüne und weisse Spargeln, präparierten Taubenbrüstchen und Jakobsmuscheln oder lösten mit spitzen Fingern Langustinen aus der Schale. Die Ästheten arrangierten ihre Speisen kunstvoll auf viereckigen oder gläsernen Tellern. Der Hygienebewusste steckte seine Hände zum Rüsten in Plastik und servierte sein Endprodukt unter einer durchsichtigen Wärmehaube in weissen Glacéhandschuhen. Dass die Jury letztlich stillos mit Plastikgabeln in den Köstlichkeiten herumstocherte, ging in der allgemeinen Aufregung unter.

Die Nase, respektive den Kochlöffel vorn hatte schliesslich der technische Angestellte Hugo Amrein aus Heimberg. Der Berner erkochte sich mit seinen «Nudelsäckli tri colore mit Lachsfüllung an Meerrettichsauce» 143 Punkte und die ungeteilte Begeisterung der Experten und des Publikums, das übrigens zum Degustieren eingeladen war.

Der 55-jährige, der bereits zum drittenmal an den Schweizer Meisterschaften teilgenommen hat, seit mehr als zehn Jahren Mitglied des Schweizerischen Clubs kochender Männer SCKM ist und selber einen Kochklub in Thun leitet, ist bei aller Erschöpfung stolz und glücklich, dass sein Rezept auf so grossen Zuspruch gestossen ist. Die Juroren lobten nicht nur seine Kreativität, sondern auch die attraktive Präsentation und den wunderbaren Geschmack. «So hat es sich also doch gelohnt», freut sich Amrein, «dass ich das Essen übungshalber fünfzehnmal gekocht habe.»

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© Barbara Lukesch