Delikate Partnerschaft

Miteinander geschäften / 15. Februar 1997, "Das Magazin"

Symbolbild Thema Frauen

Die beiden Frauen wirken wie Wesen aus einer anderen Welt. Zart und filigran, rein und perfekt in ihren langen weissen Spitzenkleidern, mit ihren kunstvoll arrangierten Frisuren und ihren sorgfältig geschminkten Gesichtern. Sie geleiten ihre Gäste mit einladenden Worten und herzlichem Blick in das Innere ihres gemeinsamen Hauses, einer Kunststätte aus weissem Marmorsand. Alsdann servieren sie selbstgebackenen Kuchen, dessen weisse Glasur in der Nachmittagssonne glänzt.

Die 72jährige Hanny Henggeler und die 43jährige Isabella von Seckendorff sind Mutter und Tochter; sie sind aber auch, und das ist ihnen viel wichtiger, ein Künstlerinnenpaar, das seit Jahrzehnten an einem gemeinsamen Werk arbeitet. "Ich bin in diese Lebensform hineingewachsen", sagt Isabella, "und die von Hanny eingeschlagene künstlerische Richtung wurde auch zu meinem Weg."

Die beiden Frauen gestalten Räume mit Zeichen aus der chinesischen und japanischen Kultur, mit Gefässen, Skulpturen, aber auch riesigen Installationen von bis zu 2,5 Tonnen Gewicht. Eine junge Japanologin, die das Paar einst besuchte, schrieb über sie: "Zwei schöne und zarte Frauen, die man eigentlich auf Händen tragen möchte. Stattdessen tragen sie alles eigenhändig, sie mauern, gipsen, armieren. Die beiden Frauen stellen alles selbst her, vom Brot bis zu ganzen Hausteilen. Sie leben sehr einfach und brauchen vor allem eins: ihre weisse Kunst. Jetzt." Beide haben sich der Farbe des Lichts, der Wahrheit und Heiterkeit verschrieben. Isabella sagt: "Ich ertrage keine anderen Farben mehr als Weiss."

Langweilige Männer

Abgesehen von kurzen Unterbrüchen, in denen sie unerquickliche Abstecher in den Hafen der Ehe gemacht oder je einzeln ihrer Ausbildung nachgegangen sind - Isabella hat unter anderem an der Universität in Peking Chinesisch studiert, Hanny ist in klassischem Ballet und angewandter Kunst ausgebildet - haben Mutter und Tochter immer zusammengelebt. Lebenspartnerschaften mit Männern scheitern spätestens immer dann, wenn sie ihre künstlerische Arbeit beeinträchtigen. "Die meisten Männer", stellt Hanny fest, "sind uns schlicht zu langweilig. Ihr Drang, sich in den Mittelpunkt zu stellen, zerstört unsere Kreativität."

Auch die jüngere Isabella, die seit ihrer Scheidung mehr als einen Heiratsantrag abschlägig beantwortet hat, lässt nichts zwischen sich und ihre Mutter treten: "Ich führe mich auf wie eine Wildsau, wenn mich jemand an der gemeinsamen Arbeit mit Hanny hindern will. Ich spüre eine Art inneren Zwang zu dieser Arbeit, die ich als verrücktes Abenteuer, riskant und ungewiss, spannend und kreativ empfinde."

"Zwei Chefinnen - ein Werk", lautet das Credo ihres künstlerischen Wirkens. "Wir haben erkannt", sagt Hanny, "dass wir zu zweit stärker sind als allein. Wir feuern uns gegenseitig an und steigern so unsere individuellen Qualitäten, statt uns, vergiftet von Konkurrenzgefühlen, gegenseitig zu verletzen und zu bremsen."

Dabei sind die Künstlerinnen bei aller symbiotischer, ja, mitunter gar telepathischer Verbundenheit auf geradezu schneidende Art voneinander abgegrenzt. Sie können sich zwar auf der Treppe ihres Hauses begegnen, die eine auf dem Weg nach oben, die andere nach unten, und konsterniert innehalten, wenn sie entdecken, dass beide, unabhängig voneinander, den gleichen Gegenstand in der Hand halten. Zum anderen aber setzt es unzimperliche Unmutsäusserungen ab, wenn die eine bei der gemeinsamen Arbeit unmotiviert nachlässt und es an Konzentration und Anstrengung fehlen lässt. "Wir sind gnadenlos in unserer gegenseitigen Kritik," sagt Isabella. "Arschleckereien", ergänzt Hanny in ihrer trockenen Art, "bringen uns gar nichts." Das habe allerdings mit Streit nichts zu tun. Zu wirklich "dicker Luft" zwischen ihnen führten höchstens Störungen von aussen. "Unsere Zusammenarbeit ist wie ein Ritual", sagt Hanny, "da haben andere keinen Platz."

Weisses Gesamtkunstwerk

Vor knapp zwölf Monaten beendeten Mutter und Tochter ein Experiment, das ungewöhnlicher nicht hätte sein können. Unter Ausschluss nahezu aller Aussenkontakte verwandelten sie die Innenräume ihres Hauses während dreier Jahre in ein faszinierendes weisses Gesamtkunstwerk. Abgesehen von einem Tisch, ein paar Stühlen und zwei spärlichen Schlafgelegenheiten verbannten sie all ihre Möbel aus dem Haus. An deren Stelle traten Skulpturen, Reliefs, Hügellandschaften, Zeichnungen und Gemälde. "Traumhaft" sei diese Erfahrung gewesen, "kreativ, inspirierend, unvergesslich".

Obwohl ihnen nicht mehr als dreihundert Franken an monatlichem Haushaltsgeld und - nicht zu vergessen - die Erträge aus ihrem Gemüsegarten zur Verfügung standen, sagt Isabella von Seckendorff, die ihren adligen Namen einem deutschen Schlossbesitzer zu verdanken hat: "Wir haben nicht unter den materiellen Einschränkungen gelitten, sondern es als beglückende Bereicherung empfunden zu realisieren, dass wir aus nahezu nichts etwas schaffen können. Am liebsten würden wir uns sofort wieder zurückziehen und auf diese Art leben und arbeiten."

Obwohl sie ihr Haus im zürcherischen Uitikon-Waldegg wieder gegen aussen geöffnet haben, verbringen Isabella und Hanny nach wie vor Tag und Nacht unter demselben Dach. Zum Zeichen der Zuneigung legen sie sich zuweilen kleine Zettelbotschaften auf den Frühstückstisch: "Sei bitte frei und stark." Je länger die beiden Frauen zusammenarbeiten, um so mehr verschmelzen die Unterschiede zwischen ihnen, auch in Bezug auf das Alter. "Obwohl Hanny 29 Jahre älter ist als ich", sagt Isabella, "nehme ich sie in ihrer Lebensbejahung und Fröhlichkeit mittlerweile als alterslos wahr."

"Hanny und Isabella", schrieb jene Japanologin, "leben ganz und gar ihr eigenes, ungewohntes Leben." All jenen, die irritiert, ja, mitunter gar entsetzt reagieren bei der Vorstellung, ihr Leben an der Seite ihrer Mutter beziehungsweise Tochter verbringen zu müssen, begegnen sie mit dem Hinweis auf ihre künstlerische Arbeit, die mit niemandem so faszinierend wie mit Hanny beziehungsweise Isabella sei.

Einzigartige Partnerschaft

Die Zusammenarbeit der beiden stellt den Idealfall einer sich ergänzenden und befruchtenden Partnerschaft dar. Dass eine Mutter und ihre Tochter beruflich so eng zusammenspannen, bildet die grosse Ausnahme, ja, ist in dieser Form womöglich gar einzigartig. Doch weibliche Geschäftspaare sind in allen Branchen der Wirtschaft noch immer selten anzutreffen. Männer finden sich viel öfter, gründen AGs und GmbHs und vergrössern damit Kapital, Know How und Angebotspalette. Sie haben längst erkannt, dass eins und eins - unter günstigen Voraussetzungen - mehr ergibt als zwei.

Frauen neigen derweil überproportional stark zum Ein-Frau-Unternehmen. Ähnlich, wie sie innerhalb der Familie die Geschäfte mehrheitlich im Alleingang regeln, halten sie auch im Berufsleben an der vertrauten Rolle der Einzelkämpferin fest. "Teamwork", sagt die Laufbahnberaterin Marie-Louise Ries, "ist vielen fremd". Selbständige Frauen wollten sich weder auf die Bedürfnisse einer anderen Person einstellen noch sich mit deren Kritik herumschlagen müssen - ungeachtet der Vorteile, die eine Geschäftspartnerschaft auch immer biete. "Eine Partnerin", sagt Ries, "wird oft als bedrohlich und unberechenbar angesehen."

Frauen, so scheint es, empfinden eine Geschäftspartnerschaft instinktiv als eine Beziehung der besonders delikaten Art. Sie ahnen, wie schwer es ihnen fallen wird, ein Höchstmass an Gemeinsamkeiten bei gleichzeitiger klarer Abgegrenztheit zu erreichen. Der Zürcher Anwalt Peter Hofer, der über grosse Erfahrung in Bezug auf die juristische Betreuung von Business-Paaren verfügt, betont denn auch, "dass Freundschaft und Partnerschaft zwei völlig verschiedene Dinge sind." Wer beides vermischt, erleidet Schiffbruch - und zwar beruflich wie privat. So pocht der Jurist bei der Abfassung von Geschäftsverträgen zuallererst darauf, dass das allfällige Auseinandergehen der Partner klar geregelt wird: "Es muss zu Beginn geklärt werden, was mit dem Geschäft passiert, wenn man Krach hat und nicht mehr miteinander reden kann."

Fataler Hang zur Verschmelzung

Diese Einstellung ist vielen Frauen fremd, ja, regelrecht zuwider. Von Trennung wollen sie nichts wissen, wenn sie dabei sind, sich beruflich zu verbinden. "Frauen, die sich zusammentun", sagt auch die Laufbahnberaterin Ries, "haben den fatalen Hang, miteinander zu verschmelzen und alles gemeinsam zu machen." Sie versäumten es, Besitzverhältnisse und Aufgabenbereiche klar abzugrenzen, und beide sollten selbstverständlich genau gleich viel verdienen.

Eine, die diese Fehler machte, ist die Basler Unternehmensberaterin und Alt-Nationalrätin Anita Fetz. Vor genau zehn Jahren gründete die Wirtschaftshistorikerin mit einer Kollegin die Beratungsfirma "Femmedia". Die beiden nahmen zwar professionelle Hilfe zur Entwicklung eines Marketing-Konzepts und für Finanzfragen in Anspruch, aber einen Partnerschaftsvertrag schlossen sie erst etliche Jahre später ab. Jede erledigte die Aufgaben, die ihr am besten lagen. Der Gleichheits-Anspruch in Sachen Lohn war zunächst sakrosankt.

Nach fünf guten Jahren und der Aufnahme von Susanne Honegger als dritter Partnerin begann sich die Beziehung der beiden Gründerfrauen zu verschlechtern: "Wir entwickelten uns auseinander", erinnert sich Anita Fetz, "und es ergaben sich unterschiedliche Vorstellungen punkto Arbeitseinsatz, Qualitätsansprüchen und unternehmerischer Visionen." Während Fetz ganz auf die Karte Firma setzte, "Femmedia" grösser und professioneller gestalten wollte und einen "besseren Verdienst als jenen einer Hobby-Beraterin" anpeilte, war ihre Partnerin weit stärker darauf bedacht, "mehr Balance und Lebensqualität zu erreichen."

So geriet Fetz zusehends in die undankbare Rolle der "Bösen", die die unbewältigten Konflikte aufs Tapet brachte. Dazwischen stand Susanne Honegger, die sich vergeblich um einen Ausgleich bemühte. Die Lösung bestand schliesslich in der Trennung nach "zermürbenden und schmerzvollen eineinhalb Jahren". Es habe sie enttäuscht, sagt Fetz, dass es trotz langer Diskussionen immer weniger Gemeinsamkeiten gegeben habe. Stattdessen hätten sie sich immer mehr unter Druck und gestresst gefühlt. Ein Teufelskreis sei entstanden und habe das Klima vergiftet. Besonders hart sei das Ringen um den Besitzanspruch am Namen "Femmedia" gewesen. Unter Einbezug einer Treuhänderin und Organisationsberaterin habe man schliesslich eine faire Lösung gefunden: "Wir haben unserer Kollegin den Namen abgekauft, sie ausbezahlt und die Aufträge untereinander aufgeteilt."

Befreiende neue Lösung

Klug geworden aus den Erfahrungen stellten Anita Fetz und Susanne Honegger ihre neue Geschäftspartnerschaft von Anfang an auf ein stabileres Fundament. In einem Vertrag wurden 50:50-Regelungen hinsichtlich Inhaberschaft und Gewinnverteilung festgelegt - und entscheidende Neuerung - "ein differenziertes Lohnmodell". Mit anderen Worten: Anita Fetz verdient auf Grund ihrer besseren Ausbildung und längeren Berufserfahrung mehr als ihre Partnerin. "Der Gleichheitsanspruch in Sachen Lohn hat für mich nicht mehr gestimmt", sagt Fetz, "die neue Lösung hingegen empfinde ich als befreiend, Konflikte gibt es deshalb keine."

Dennoch dürfte das Modell der Baslerinnen eine seltene Ausnahme darstellen. Auch die Zürcher Unternehmensberaterin Rossella Torre und ihre Partnerin hatten sich vorgenommen, beiden Beteiligten gleiche Löhne auszuzahlen. Selbst als Torre zwei Drittel der Arbeit verrichtete, war sie bereit, "im Sinne einer Anfangsinvestition in die Geschäftspartnerschaft" am Prinzip des gleichen Lohnes festzuhalten. Erst als die gemeinsame Firma aufgelöst wurde, pochte sie auf "eine Endabrechnung gemäss der Menge der geleisteten Arbeit." Lange Diskussionen um den Wert der verrichteten Mehrarbeit liessen sich nicht vermeiden.

Genau diese Art von Auseinandersetzung ist es, die viele Frauen scheuen. "Es wird ihnen schnell zu emotional, wenn es ums Kämpfen, Aushandeln und Kritisieren geht", konstatiert Laufbahnberaterin Marie-Louise Ries. Frauen landeten sofort auf der Beziehungsebene - und die logische Folge sei, "dass Frauen Sachkonflikte verdrängen, in der Absicht und Hoffnung, damit ihre Partnerschaft zu schützen." Mit Männern hingegen falle es ihnen meistens leichter, sich sachbezogen zu streiten und auseinanderzusetzen.

Ähnliche Erfahrungen macht die Mathematikerin Elisabeth Lehmann. Sie ist Geschäftsführerin in der von ihr gegründeten EDV-Beratungsfirma "Anasys", die sie paritär mit einem Partner betreibt. Daneben besitzt sie gemeinsam mit der Finanzfachfrau Thea Hefti die "Windcraft AG", ein Unternehmen zur Planung und Finanzierung von Windkraft-, Solar- und Biomasse-Anlagen, in das sie allerdings nur 20 Prozent ihrer Arbeitskraft investiert.

Fürsorglicher Umgang

"Die beiden Beziehungen", sagt Lehmann, "erlebe ich völlig unterschiedlich." Mit ihrem Partner spüre sie eindeutig "mehr Konkurrenz, Gerangel und auch unterschwellige Machtansprüche." Die Auseinandersetzungen mit ihm seien "klar härter und schärfer akzentuiert und würden meistens auf ein Entweder-Oder hinauslaufen." Mit Thea Hefti hingegen sei stets der Wunsch vorhanden, "gemeinsam aus einem Konflikt herauszukommen". Sie würden "liebevoller, auch fürsorglicher miteinander umgehen und manchen drohenden Krach höflich umschiffen."

Von ihrem Partner fühlt sie sich wiederum stärker gefordert: "Bei ihm muss ich ran." Schliesslich soll die gemeinsame Firma "Anasys" genügend Einkommen abwerfen. Die "Windcraft AG", die bisher einzig Thea Hefti ein monatliches Gehalt von 1000 Franken einbringt, ist so gesehen ein typisches Frauenprojekt: Getragen von hohen Idealen und zwei Frauen, die - so Elisabeth Lehmann - "punkto Geld, Zeit und Arbeitskraft draufzahlen und sich damit selber ausbeuten."

Gleichzeitig ist das noch junge Unternehmen aber auch auf dem stark männerdominiertem Terrain von Energie und Technik zuhause. Da spüren die beiden Geschäftsfrauen öfter starken Gegenwind. "Berufskollegen begegnen uns mit gönnerhafter Herablassung", sagt Thea Hefti. "Andere klauen uns stinkfrech unsere Ideen und geben sie als ihre eigenen aus." Wer es, wie die beiden "Windfrauen", dennoch schafft, als erstes Projekt einen 4,6 Millionen Franken teuren Windpark in Mecklenburg-Vorpommern zu realisieren, hat einen guten Job gemacht.

Genügend Selbstvertrauen haben die beiden Frauen zweifellos. Hier die 51jährige Thea Hefti, die gelernte Wein-Kauffrau aus dem Schwarzwald und ehemalige Direktionssekretärin bei Sulzer (Gasturbinen), Rieter (Spinnereimaschinen), BBC (Lokomotiven) und Swissair, eng verbunden mit den verschiedensten Frauennetzen, extrovertiert, mitunter vor lauter Begeisterung zu Hektik und überstürzten Entscheiden neigend. Eine klassische Praktikerin, die bei "Windcraft" als Geschäftsführerin und Verwaltungsratspräsidentin die Fäden zusammenhält, voller Hingabe für die "saubere, ja regelrecht ästhetische Form der Windenergie". Dort die 44jährige Elisabeth Lehmann, die geborene Kopfarbeiterin, die sich selber als "Tüftlerin mit einer grossen Liebe zum Computer und einem Hang zu Kalkulationsprogrammen" bezeichnet. Eine sachliche, zurückhaltende und besonnene Frau, "die noch am Schreiben eines Briefes ist, wenn ich schon auf dem Weg zur Post bin", wie Thea Hefti mit leisem Unterton bemerkt.

Kurze, heftige Gemütsaufwallung

Manchmal rege es sie schon auf, sagt Hefti, wenn ihre Kollegin "mit stoischer Miene" vor dem Computer sitze und kaum ansprechbar sei: "In solchen Momenten würde ich sie am liebsten durchschütteln." Doch dann kann sogar die sehr kontrollierte Elisabeth Lehmann "brummelig" werden und "höflich, aber bestimmt" um Rücksichtnahme bitten.

Als Lehmann einst, verantwortungsbewusst, wie sie nun einmal sei, der Partnerin eine Blanko-Unterschrift für geschäftliche Zwecke verweigerte, sei es ebenfalls zu einer "leichten Missstimmung" gekommen: "Elisabeths Nein hat mich gekränkt; ich habe es als Zeichen von Misstrauen empfunden." Doch nach einer kurzen, heftigen Gemütsaufwallung habe sie Elisabeths Entscheid "gut nachvollziehen können und schliesslich eingelenkt."

Die beiden Frauen sind überzeugt, dass sie grössere Konflikte bisher auch deshalb umschiffen konnten, weil sie sich in sehr unterschiedlichem Ausmass für die "Windcraft AG" engagieren. Während sich Thea Hefti voll und ganz mit "ihren" über sechzig Meter hohen Windtürmen in Mecklenburg-Vorpommern identifiziert, jenen "Riesenjummys", die von ihren deutschen Baumeisterinnen auf die Namen "Sophie", "Lotte", "Rosa" und "Heidrun" getauft wurden, steht Elisabeth Lehmann dem "Windcraft"-Pionierobjekt eher distanziert gegenüber. "Mecklenburg-Vorpommern", sagt sie, "ist eindeutig Theas 'Kind'." Ihr Herzblut gehöre nach wie vor zur Hauptsache ihrer EDV-Firma "Anasys". Das könne sich ändern, wenn ein Windpark in Irland, ihrem "Lieblingsland", spruchreif werde. Präventiv räumt Thea Hefti ihrer Partnerin den Vortritt ein: "Für Irland bist du zuständig; da werde ich dir keine Konkurrenz machen."

Klare Grenzsetzungen haben sich bei "Windcraft" bewährt. Auch privat haben die beiden Frauen immer Distanz gehalten. Busenfreundinnen sind sie nie geworden. Damit stellen sie möglicherweise eine Ausnahme dar. Denn Frauen bräuchten, gemäss Einschätzung der Unternehmensberaterin Rossella Torre, in viel stärkerem Masse als Männer "Vertrauensverhältnisse, die über das Biertrinken und Kumpelhafte hinausgehen", bevor sie den riskanten Schritt in eine Geschäftspartnerschaft wagten.

Dicke Freundinnen

Cichy Lautenschläger und Renate Anderegg sind seit jeher "dicke" Freundinnen. Mit knapp zwanzig haben sie sich kennengelernt, gemeinsam an der Kunstgewerbeschule in Hannover Design studiert, sich wieder aus den Augen verloren, in jener Zeit geheiratet, je zwei Töchter auf die Welt gestellt und sich Ende der sechziger Jahre in der Schweiz wiedergetroffen. Zeitweise haben sie auch zusammen gewohnt; gemeinsame Reisen verbinden sie seit langem.

Heute sind sie 52 beziehungsweise 53 Jahre alt und besitzen seit knapp zwanzig Jahren ihr gemeinsames Kleideratelier "Cyrena", ein winziger Laden auf 16 Quadratmeter Fläche, versteckt in einem malerischen Hinterhof des Zürcher Niederdorfs. Dort bieten sie selbstentworfene und eigenhändig geschneiderte Kleider aus exklusiven Stoffen an, die sie auf verschwenderische Art verarbeiten, etwa zu Jupes aus neunzehn Meter langen Stoffbahnen.

"Unsere Partnerschaft", sagt Cichy Lautenschläger, "fühlt sich an wie eine gute alte Ehe." Erprobt und gewachsen auch in Zeiten, in denen mal die eine, dann die andere ihre persönlichen Krisen wie eine Scheidung oder den Tod ihres Ehemannes zu bewältigen hatte. Sie hätten sich einfach gern, seien sich beide der Stärke ihrer Zuneigung bewusst und würden sich auf diesem Hintergrund auch ihre Sticheleien, Motzereien und handfesten Kräche erlauben. Wer von beiden "die Spontanere und Schnellere" ist, warum Cichy immer noch von vielen als die "Bravere" und Renate als die "Schnippischere" wahrgenommen wird und wie das mit ihrer Wirkung auf Dritte ganz allgemein sei, bleibt dabei ungeklärt. "Gott sei Dank hat es nie wegen Männern Konflikte gegeben", resümieren sie: "Wir bevorzugen nämlich völlig unterschiedliche Typen."

Endlich ein Konkubinats-Vertrag

Erst im neunzehnten Jahr ihrer gemeinsamen Geschäftstätigkeit rafften sich die "Cyrena"-Partnerinnen dazu auf, einen "Geschäfts-Konkubinats-Vertrag" aufzusetzen. Darin wird geregelt, dass der Laden im Todesfall der einen vollumfänglich an die andere übergehen wird. Keine der beiden Frauen würde das Geschäft jemals alleine, geschweige denn mit einer neuen Partnerin weiterführen. "Cyrena" sei Cichy und Renate. Alles andere sei unvorstellbar. Sie seien dermassen aufeinander eingespielt, dass sie intuitiv wüssten, was die andere wolle. Zum "kreativen Highlight" werde dieses "blinde Verständnis" immer dann, wenn sich die eine "ungeplant und nicht abgesprochen" vom neuen Jupe-Entwurf der anderen zur Idee für eine dazu passende Jacke inspirieren lasse.

Doch bei allem Verbindenden sind sich die beiden auch des Trennenden bewusst. Von jeher setzten sie ihrer Zusammenarbeit Grenzen. So besitzen sie weder ein gemeinsames Atelier, noch haben sie jemals daran gedacht, gemeinsam im Laden zu verkaufen. Zu eng sei ihr Ladenlokal, sagen sie, zu verschieden aber auch ihr Verkaufsstil. Sie führen getrennte Kassen, auch wenn jede von ihnen im Laden jeweils die Kreationen beider anbietet und verkauft. Diese Lösung, erläutern sie, liege sowohl im Sinne des gemeinsamen Geschäfts wie auch beider finanzieller Interessen.

Dort, wo dennoch Konflikte lauern oder Konkurrenzgefühle zur Belastung ihrer Partnerschaft führen könnten, haben sie mit präzisen Abmachungen Klarheit geschaffen und allfälligen Missverständnissen einen Riegel geschoben. So führen sie einen Putzplan, seitdem sie gemerkt haben, dass die Frage der Ladenreinigung zu "völlig unnötigen Missstimmungen" führen könne.

Von wirklich folgenreicher Bedeutung für ihre Zusammenarbeit ist der klar geregelte Umgang mit Stoffen und deren Bezugsquellen, dem A und O ihres beruflichen Wirkens. Regel Eins legt fest, dass beide zugreifen dürfen, wenn jemand in den Laden kommt und guten Stoff anbietet. Macht eine auf einer Reise einen vielversprechenden Fund, ist ihr diese Quelle - Regel zwei - alleine vorbehalten. Regel Drei gebietet, dass Entdeckungen auf gemeinsamen Geschäftsreisen beiden offenstehen. Regel Vier: Ein Grundstock an Stoffen wird auf beide Ateliers verteilt und dient der gemeinsamen Produktion.

Missgunst ist belastend

Konkurrenz - darin sind sich weibliche Geschäftspartner einig - darf nicht zum Spaltpilz der Beziehung werden. Diejenigen, die klar getrennte Aufgabenbereiche haben, haben es da leichter. Für die "Cyrena"-Designerinnen, die mehr oder weniger dieselbe Arbeit tun, mag "Konkurrenz", wie Renate Anderegg sagt, "beflügelnd" wirken. Sie wolle schliesslich eine Partnerin, die sie fordere und ihr nicht ständig unterlegen sei. Das will Cichy Lautenschläger natürlich auch, und trotzdem gibt sie zu, dass sie Patchwork-Arbeiten und Stoff-Applikationen nicht zuletzt deshalb so schätze, weil das ihre alleinige Domäne sei und sie nicht damit rechnen müsse, "dass Renate das auch macht."

Berufliche Konkurrenz, Missgunst und Neid, sagt die Management-Beraterin Veronika Staudacher, seien für Frauen besonders belastend, weil sie ihnen "im ganzen Körper einfahren und sie rundherum berühren." So könne es nicht erstaunen, dass viele Frauen "regelrecht harmoniesüchtig" reagierten.

Auch Priska Meier und Tanja Hoblet, die beiden Besitzerinnen der Haarschneiderei "Strubelpeter" in Zürich, betonen mit Bedacht, dass es keine Konflikte und keine Konkurrenz zwischen ihnen gebe. Tanja Hoblet, die 27jährige, die erst vor eineinhalb Jahren den Schritt in die Selbständigkeit gewagt und sich der 43jährigen Priska Meier und ihrem gut siebzehnjährigen "Strubelpeter" angeschlossen hat, will von Konkurrenz überhaupt nichts wissen: "Angesichts von Priskas Erfahrung habe ich als Neuling doch gar kein Recht auf Neid und Konkurrenzgefühle." Priska Meier ihrerseits hält den Status Quo, der ihr noch die grössere Anzahl Kundinnen und Kunden beschert, aus demselben Grund für normal: "Alles andere wäre ja seltsam."

Die Chemie muss stimmen

Wer nahezu vier Tage pro Woche acht Stunden auf engstem Raum zusammenarbeitet, muss sich auch "riechen" können und die gegenseitige Nähe ertragen. Da ist es nur schon von Vorteil, dass beide Coiffeusen rauchen und damit auch den Raucher-Anteil unter den Kunden der anderen tolerieren. Man entwickle tatsächlich ein "extremes Gespür" für die Stimmung der anderen, sagt Tanja Hoblet. Sei es am Gang, an der Tonlage oder der Art des Gesprächs - man registriere jede Schwankung und sei auch entsprechend abhängig von den Launen der Kollegin. "Angesichts der Enge unserer Zusammenarbeit", ergänzt Priska Meier, "umschiffen wir Kräche bewusst oder unbewusst." Für sie sei es schlicht unmöglich, in einem Klima des Streits miteinander zu arbeiten. Solange das Interesse beider am Gedeihen des Geschäfts gleich gross sei, glaubt sie, liesse sich das auch "ganz gut bewerkstelligen."

Gemeinsame Erfolge machen Berufspaare stark. Der immer härtere Kampf an der Arbeitsfront stellt die Zweckgemeinschaften auf Bewährungsproben, die nur jene überstehen, die den erforderlichen Spagat zwischen Nähe und Abgrenzung sauber hinbekommen. "In Geschäftspartnerschaften muss man Farbe bekennen", weiss die Unternehmensberaterin Rossella Torre. "Da kommen alle Facetten auf den Tisch: Wertvorstellungen, Wünsche, aber auch Schwächen und Schattenseiten. Wer das nicht aushält, ist nicht dafür gemacht."

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© Barbara Lukesch