Das «Superweib-Syndrom»

Doppelbelastung / Nr. 4, 1999, "Du"

Symbolbild Thema Frauen

Die "Tagesschau"-Moderatorin Katja Stauber hat frohe Kunde: "Heute halten mich Kind, Mann und Beruf so auf Trab, dass ich keine Diäten machen muss." (Schweizer Illustrierte, 23. September 1996) Gott sei Dank, freuen wir uns mit der populären Vorzeigefrau, kann sie ihrer Dreifach-Rolle wenigstens etwas Gutes abgewinnen. Doch damit hat es sich leider schon. Der Rest ist Skepsis, Zweifel, Misstrauen. Stauber sorgt sich insbesondere um ihren womöglich vernachlässigten Ehemann, hat Angst um ihr Baby, das auf keinen Fall fünf ganze Tage pro Woche in eine Krippe zu fremden Menschen darf, und leidet unter Schuldgefühlen, weil sie nicht jedem Entwicklungsschritt ihres Kleinen persönlich beiwohnen kann.

Da schätzen wir uns doch glücklich, dass Eva Wannenmacher, auch sie Mutter, Gattin und Fernsehmoderatorin, in Interviews stets betont, dass sie trotz Berufstätigkeit "kein schlechtes Gewissen" habe. Oder wenn Antoinette Hunziker, die Chefin der Schweizer Börse und Mutter eines Sechsjährigen, öffentlich zu ihren Achtzig-Stunden-Wochen steht und so frei von legitimatorischen Schnörkeln wie jeder Mann erzählt, dass sie ihren Sohn nur beim Frühstück und Nachtessen sehe - Ausnahmen, ahnen nüchterne Zeitgenossinnen, inbegriffen.

Die Mutterschaft ist und bleibt die Achillesferse aller Frauen. Wir haben zwar die erste Bundespräsidentin, ein grossartiges Gleichstellungsgesetz, seit immerhin zehn Jahren auch ein Eherecht, laut dem der Mann, mindestens auf dem Papier, nicht länger das Oberhaupt der Familie ist und der Mutter seiner Kinder auch nicht mehr verbieten darf, arbeiten zu gehen. Wir sollen in absehbarer Zeit als letztes Land in Europa sogar eine Mutterschaftsversicherung bekommen. Nur vom Elternurlaub redet längst niemand mehr, aber wer wollte denn so unbescheiden sein.

Idealbild ist nur schwer veränderbar

All diesen Errungenschaften zum Trotz scheint das Idealbild der stets verfügbaren, hegenden und pflegenden Mutter nur schwer veränderbar. Berufstätige Mütter, insbesondere solche mit kleinen Kindern, stehen unter Beobachtung. Wehe, wenn eines ihrer Kinder an den Fingernägeln kaut, in der Schule versagt oder seine Kameraden verprügelt. Wer zu allem hin als Frau auch noch freiwillig, will sagen ohne materiellen Zwang, in die ausserhäusliche Erwerbswelt strebt, muss zumindest mit Ausgrenzung und Vorwürfen rechnen: "Das ist jetzt eine der Frauen, die alles will", oder noch beliebter: "Wozu hat so eine überhaupt Kinder?". Nicht zuletzt die Daheimgebliebenen können böse und neidisch werden, wenn sich eine Geschlechtsgenossin nicht mit dem Leben im Mutter-Kind-Ghetto und dem sozialen Status bescheidet, den ihr der Gatte kraft seiner Stellung garantiert.

Die Zürcher Psychologin Ulrike Zöllner traf denn auch prompt den Zeitgeist, als sie in ihrem Buch "Die Kinder vom Zürichberg" (1994) auf unerbittliche Art die Rückkehr der Mütter in die Kinderzimmer forderte: "Wir sollten uns wieder zur Mutterrolle bekennen." 34'000mal ging der Bestseller in neunter Auflage bisher über den Ladentisch und streute Salz in die offene Wunde des chronisch schlechten mütterlichen Gewissens. Inzwischen sind wir wieder soweit, dass die Zürcher SP-Nationalrätin Regine Aeppli weitherum Applaus erntet, wenn sie ihren Verzicht auf eine Regierungsratskandidatur mit den bewegenden Worten begründet: "Ich fühle mich nach wie vor für das Wohlergehen meines elfjährigen Sohnes und meiner achtjährigen Tochter verantwortlich. Daran vermag auch das Angebot meiner Umgebung, insbesondere meines Ehemannes, sich vermehrt den Kindern anzunehmen, nichts zu ändern." Die Frauenzeitschrift "Annabelle" lobte die "mutige" Tat so überschwenglich, als wäre Aeppli die einzige, die so edel entscheidet, und der Rest der Schweizerinnen ein Rudel karrierebesessener Frauen, die ihre Brut verantwortungslos einem ungewissen Schicksal überlässt.

Wirtschaftskrise wirkt negativ

Dabei ist ja alles beim Alten und das Ende der traditionellen Mütterlichkeit keineswegs in Sicht. Die Wirtschaftskrise hat das Ihre dazu beigetragen, die weibliche Aufbruchstimmung zu dämpfen und Frauen wieder auf ihren angestammten Platz als sogenannte Zusatz- oder Doppelverdienerinnen zu verweisen - der bei Bedarf natürlich immer als erster zu räumen ist. Gemäss dem Bundesamt für Statistik gehen lediglich 46 Prozent der Mütter mit Kindern unter sieben Jahren einer bezahlten Tätigkeit nach. Von jenen mit Söhnen und Töchtern im Alter von sieben bis vierzehn sind es 67 Prozent, und wenn die Kinder über 15 Jahre alt sind, erlauben sich insgesamt 73 Prozent den Schritt in die ausserhäusliche Arbeitswelt. Das heisst, knapp 40 Prozent aller verheirateten Mütter zwischen 20 und 62 Jahren sind nicht erwerbstätig, und rund neunzig Prozent der Berufstätigen begnügen sich mit Teilzeitstellen.

Spitzenpositionen und -löhne sind ihnen damit von vornherein verwehrt, und die in Talkshows und Illustrierten gern vorgezeigten Geschäftsführerinnen und Firmenchefinnen bilden nach wie vor die Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Frauenkarrieren bewegen sich weiterhin in engen geschlechtsspezifischen Bahnen.

Dafür leisten Frauen immer noch den Löwinnenanteil in Sachen Haus- und Familienarbeit. Je nach Alter ihrer Kinder wenden sie gemäss dem Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann wöchentlich zwischen 37 und 56,5 Stunden dafür auf - und damit in jedem Fall mehr als doppelt soviel Zeit wie ihre Männer. Sogar von den voll erwerbstätigen Frauen verrichten mehr als 50 Prozent die Haushaltsarbeit allein, 40 Prozent zusammen mit anderen Personen, mitunter auch ihrem Mann. Ins ernüchternde Bild passt die Tatsache, dass selbst teilzeitarbeitende oder erwerbslose Männer nur unbedeutend mehr waschen oder bügeln als ihre an der Erwerbsfront stehenden Geschlechtsgenossen. Bescheidene zwei Prozent aller Väter beteiligen sich ernsthaft an der Betreuung ihres Nachwuchses. Angesichts dieser Zahlen überrascht es nicht, dass berufstätige Familienfrauen gemäss einer Untersuchung einen vollen Monat pro Jahr mehr arbeiten als ihre Partner. Änderungen liegen in weiter Ferne, soll die männliche Mithilfe innerhalb der Familie in den letzten zehn Jahren doch höchstens um acht Minuten pro Tag gewachsen sein.

Krasse Unterbewertung

Den nackten Fakten zum Trotz neigen Männer dazu, die Berufstätigkeit und das Einkommen ihrer Partnerinnen krass zu unterbewerten und gleichzeitig die eigene Mithilfe im Haus fernab von aller Realität deutlich zu überschätzen. Da glaubt einer schnell einmal, er beteilige sich zu fünfzig Prozent an der Familienarbeit. Dabei macht er nicht viel mehr, als seiner Frau am Samstagmorgen in der Migros den Einkaufswagen zu stossen und am Sonntag in Gegenwart seiner Kinder Zeitung zu lesen.

Erwerbstätige Mütter sind mithin auf eklatante Art doppelt- und dreifach belastet, und es ist allein an ihnen, den Spagat zwischen häuslichen Pflichten und beruflichen Anforderungen hinzukriegen. Das ist unter den herrschenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen tatsächlich ein akrobatisches Kunststück, das Zähigkeit, Durchsetzungswillen und ausgeprägte Leidensfähigkeit voraussetzt.

Karina S., 42, Mutter von drei Kindern im Alter von vier bis zehn Jahren und zu hundert Prozent im familieneigenen Betrieb tätig, musste nach zehn Jahren Doppelbelastung die Notbremse ziehen. Die emotionale Verantwortung für die Familie kombiniert mit dem beruflichen Stress sei ihr dermassen über den Kopf gewachsen, erzählt sie, dass sie psychisch und körperlich zusammengebrochen sei und eine dreimonatige Auszeit im Geschäft und zwei Wochen Ferien ohne Familie gebraucht habe.

Karina S. ist beileibe kein Einzelfall. Erschöpfungsdepressionen oder zumindest chronische Müdigkeit gehören zum Alltag vieler erwerbstätiger Mütter. Hin- und hergerissen zwischen Haushalt und Büro, ständig unter Zeitnot leidend und darauf bedacht, die Stundenpläne aller Familienmitglieder miteinander in Einklang zu bringen, geraten sie früher oder später an die Grenzen ihres Leistungsvermögen. Und dann sollen und wollen sie trotz stets wachsender Anforderungen im Berufsleben auch noch die beste Köchin, die liebenswürdigste Schwiegertochter und die bezauberndste Ehefrau und Geliebte sein: Die Sorge für das Atmosphärische ist schliesslich seit jeher eine der vornehmsten, wenn auch meist unbemerkten Aufgaben des "schwachen" Geschlechts. Das "Superweib"-Syndrom hat auch die hiesigen Mütter fest im Griff.

Organisationsstress

Doch eines Tages ist Schluss mit den selbstgebackenen Keksen und den allseits geschätzten Einladungen für die Geschäftsfreunde des aufstrebenden Gatten. Wer wie Regina M., 45jährige Gynäkologin mit eigener Praxis und Mutter von drei kleinen Kindern, täglich fünfzehn Stunden durcharbeitet, ist nur schon froh, wenn sie abends, unbehelligt von der Niederkunft einer Patientin, die eigenen Kleinen ins Bett bringen, ein, zwei Worte mit dem spätheimkehrenden Mann wechseln und dann subito selber schlafen gehen kann. Finanziell privilegiert, wie die Ärztin und Unternehmersgattin ist, kann sie sich zwar gleich zwei Kleinkinderzieherinnen leisten; deren Suche, klagt sie, gerate nichtsdestotrotz jedesmal "zum Alptraum" und mache sie "regelrecht krank." Wenn sich, wie kürzlich geschehen, auf ein Zeitungsinserat fünfzig Interessentinnen meldeten, arte die Auswahl der besten Betreuungsperson - und die Beste müsse es sein - zum "Job für sich mit hohem Stresspotential" aus.

Über Ansprüche solcher Art können die meisten alleinerziehenden Mütter nur müde lächeln. Da sie in der Regel aus materiellen Gründen gezwungen sind, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, müssen sie auch in Sachen Kinderbetreuung das nehmen, was möglichst kostengünstig zu haben ist. Das klingt einfacher, als es in der Schweiz ist, einem Land, das über einen Versorgungsgrad an Krippen, Horten, Spielgruppen und Tagesmüttern von knapp zwei Prozent verfügt.

Mag es die alleinerziehenden Mütter trösten oder nicht - immerhin sind sie von der mitunter erdrückenden Last befreit, ständig beweisen zu müssen, dass kein Mann unter ihrem egoistischen Drang in die Erwerbswelt zu leiden hat. So überrascht auch das Resultat jener Studie nicht, die ergab, dass die Personalchefinnen von mittleren und grösseren Unternehmen durchwegs allein oder entweder nur mit einem Partner oder nur mit ihren Kindern leben, aber in keinem Fall gemeinsam mit Mann und Kindern. Die klassische Familie, kombiniert mit einer anspruchsvollen Berufstätigkeit, würde offensichtlich den Rahmen sprengen - zumindest jenen eines Frauenalltags. Denn selbstredend lagern alle männlichen Personalchefs gut vertäut in kompletten Familienverbänden, es sei denn, sie überbrücken gerade eine temporäre, meist scheidungsbedingte Single-Periode.

Mütter zahlen einen hohen Preis

Die Bilanz ist wahrhaftig ernüchternd: Nahezu alle berufstätigen Mütter zahlen für ihre Lebensform einen hohen Preis. Sei es in Form von nagenden Schuldgefühlen oder Ängsten, ihr Kind könne nicht geraten und eines Tages in die Drogensucht und/oder Kriminalität abgleiten, sei es in Form von gesundheitlichem Raubbau, Verzicht auf Hobbys, sportliche Betätigung und soziale Kontakte. Viele berichten von einem ständigen Gefühl der Unzulänglichkeit, jener Befürchtung also, es nirgends und niemandem recht machen zu können, sondern im Beruf mangels Flexibilität, Zugang zu Informationen, Beziehungspflege und ernstzunehmender Weiterbildung auf der Strecke zu bleiben, und auch als Mutter zu versagen und dereinst von den eigenen Kindern zu hören: "Rabenmutter! Wo war unser Nest?"

Zum Eclat kommt es immer dann, wenn Unvorhergesehenes eintritt, wenn also ein Kind krank oder ein alter Elternteil pflegebedürftig wird, wenn das Netz der Fremdbetreuung reisst, weil sich ein Babysitter als unbrauchbar erweist, oder wenn der Ehemann arbeitslos wird und das familiäre Klima zusätzlich belastet. Dann bricht das Kartenhaus der Organisationskünstlerinnen im Nu zusammen und Mutti muss, hin- und hergeschletzt von den sich ausschliessenden Anforderungen, zumindest vorübergehend kapitulieren.

Trotz allem wollen - oder können die meisten erwerbstätigen Mütter ihren Job keineswegs aufgeben. Zu sehr schätzen sie den ausserfamiliären Freiraum, in dem Selbstverwirklichung, berufliche Anerkennung, Erfolgserlebnisse und selber verdientes Geld auf sie warten. Warum, fragen sie, soll ich meine in einer langjährigen Ausbildung erworbenen Fähigkeiten brachliegen lassen und damit meine Zukunftsaussichten beschneiden? Untersuchungen ergaben denn auch, dass berufstätige Frauen allen Widrigkeiten zum Trotz zufriedener und ausgefüllter sind als die reinen Familienfrauen.

Nachsichtige Frauen

Um so erstaunlicher ist es, dass dermassen zähe und willensstarke Frauen ihren Männern den häuslichen Schlendrian nahezu klaglos durchgehen lassen. Da trotzen sie den Vorurteilen vieler Arbeitgeber, sie als Mütter seien ständig abwesend und mit dem Kopf sowieso nie ganz bei der Sache, parieren die Ressentiments von Schwiegereltern und Schwägerin, die einfach nicht warm werden wollen mit ihrem beruflichem Ehrgeiz, zerstreuen die Besorgnis der Primarlehrerin, die es ja so sehr bedauert, dass Tobias' Mami dieses Jahr das Krippenspiel ihres Jüngsten verpasst hat - und machen daheim bestenfalls die Faust im Sack.

Warum sind Frauen so nachsichtig gegenüber ihren Partnern - "Er meint's ja nicht böse" - und wehren sich nicht heftiger für eine gerechtere Arbeitsteilung in Haus und Familie? Warum sind nicht einmal alle empört, ja, stinksauer, dass sie kaum eine freie Minute für sich selber haben, während ihr Gatte Tennis spielen geht, mit Kollegen jasst, sich einem möglicherweise karrierefördernden politischen Amt widmet und abends gern einmal die Beine hochlagert, während ihm seine Frau gegen 21.30 Uhr noch rasch einen kleinen Imbiss reicht?

"Frauen", sagt die Zürcher Paartherapeutin und Organisationsberaterin Rosmarie Welter-Enderlin, "die trotz Kindern berufstätig sind, stehen unter dem Zwang, ständig Abbitte zu leisten für ihren bösen, womöglich noch von Erfolg gekrönten Schritt in die ausserhäusliche Erwerbswelt." Daher erfüllten sie, so Welter-Enderlin, ihren "eigentlichen" Job, die Hausarbeit, kommentarlos und ohne grosses Aufsehen zu erregen.

Viele Frauen haben schlicht auch keine Lust, sich für jeden Hüte- oder sonstigen Hilfsdienst mit ihrem Mann in den Clinch zu begeben. Da legt Johanna im Sinne einer Energiesparmassnahme lieber selber Hand an. Dafür muss sie ihren tollen Adrian nicht stundenlang loben, wenn er für einmal das Geschirr gespült hat. Darüber hinaus entgeht sie auch den tragischen Folgen, die dieser simple Akt der Haushaltsführung - gemäss Aussagen der deutschen Publizistin Claudia Pinl - durchaus haben kann: "Mit lebensgefährlichen Verletzungen musste ein Mann aus Köln ins Krankenhaus gebracht werden. Beim Geschirrspülen in der Küche hatte sich der 26jährige ein Messer in den Bauch gerammt." (Aus: "Das faule Geschlecht - Wie Männer es schaffen, Frauen für sich arbeiten zu lassen.")

Hartnäckige Verleugnung

Frauen rackern bewiesenermassen für zwei, doch diese empörende Tatsache verleugnen sie nachhaltig. So jedenfalls lautet eines der Ergebnisse des Nationalfondsprojekts "Zum Wandel des Geschlechterverhältnisses in der Schweiz". Frauen, heisst es da, seien sich der allgemeinen sozialen Ungleichheit der Geschlechter in allen Lebensbereichen durchaus bewusst, in der eigenen Ehe aber fühlten sie sich - eklatanter Doppelbelastung zum Trotz - nicht benachteiligt. Wie das? Des Rätsels Lösung: Durch das Herunterspielen der persönlichen Diskriminierung gelinge es den Frauen, den ehelichen Frieden zu sichern und die eigene Beziehung positiv zu bewerten. Das sei, bilanzieren die Untersuchenden, nichts anderes als "aktive Resignation".

Wer gleichwohl noch Mumm und Lust hat, spöttelt die feministische Juristin Zita Küng, "seinen Fritz nachzuerziehen, auf dass er zweimal pro Woche ohne Murren den Abfallsack herunterträgt", verfolgt "eine nicht zu unterschätzende individuelle Strategie." Eine gesellschaftliche Lösung sei dies allerdings nicht. Dazu brauche es, so Küng, andere Wohn- und Lebensformen: "Kollektive aus Kindern und Erwachsenen, die von Frauen geplant, verwirklicht und geleitet werden."

In eine ähnliche Richtung zielen auch die Visionen der Zürcher Innovationsberaterin Monique R. Siegel, die für "Gemeinschaften von mindestens drei Generationen unter einem Dach" plädiert, für deren Realisierbarkeit allerdings eine neue Architektur vonnöten sei. Angesichts der tiefgreifenden Veränderungen innerhalb der Arbeitswelt und der Milleniums-bedingten Aufbruchstimmung gibt sich Siegel zuversichtlich, dass "sich bald mehr zugunsten der Frauen wandelt, als wir uns heute überhaupt vorzustellen wagen."

Wo bleiben die Männer?

Einen der naheliegendsten Auswege aus dem Dilemma wählen all jene Frauen, die ganz auf Familie verzichten oder sich aus Angst vor Überforderung mit einem Einzelkind begnügen. Auf den vielerorts beschworenen "neuen Vater" zu hoffen, scheint eher aussichtslos zu sein. Der Unternehmensberater Klaus J. Stöhlker konstatiert jedenfalls gnadenlos: "Dieser Trend ist vorbei."

An den baldigen Wandel der Männer glaubt tatsächlich fast niemand mehr. Warum auch soll einer freiwillig Arbeit übernehmen, die anstrengend und undankbar ist, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet und von geringer bis keiner gesellschaftlichen Würdigung begleitet ist? Es klappt doch auch so ganz prima, finden jene 90 Prozent der männlichen Schweizer, die mit ihrer privaten Situation zufrieden sind. Grossen Widerspruch haben sie nicht zu befürchten, denn nicht einmal 25 Prozent ihrer Partnerinnen sind der Meinung, dass sich am Rollenverhalten in der Ehe etwas ändern müsste.

Allen verbalen Unterwerfungsgesten der Frauen zum Trotz gibt es einen irritierenden Indikator, der viele Männer denn auch ernsthaft berunruhigt: Drei Viertel der Scheidungen, von denen inzwischen knapp 40 Prozent aller Ehen betroffen sind, werden von Frauen eingereicht und ohne Rücksicht auf Verluste durchgezogen.

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© Barbara Lukesch